Spendensumpf: Email belastet LH Kompatscher schwer

Bozen (Südtirol, 14. April 2022) – Der Parteispendensumpf um Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher und seinem Mann fürs Grobe, Karl Zeller, wird immer größer, dies belegt eine geheime Email des Kompatscher-Vertrauten Gerhard Duregger, die ALPENmag vorliegt.

Wie ALPENmag bereits berichtet hat, bestand das inoffizielle Spendenkomitee der SVP neben Karl Zeller aus Patrick Bergmeister, Wahlkampfleiter Thomas Widmann und Heinz Peter Hager, dem Statthalter des umstrittenen Immobilienmoguls René Benko

Am 16. Oktober 2018 kam es zu einem Treffen zwischen Karl Zeller, der in der Email als „Koordinator des Spendensammlerkomitees“ bezeichnet wird, sowie Wahlkampfleiter Thomas Widmann und Parteisekretär Gerhard Duregger. Bei diesem Treffen, so bestätigt es Duregger in seiner Email, soll Karl Zeller deutlich gemacht haben, dass es einen definitiv „mit den Spendern vereinbarten Verteilerschlüssel“ gäbe. Sprich: Die Wahlkampfspenden gingen nicht, wie eigentlich vorgeschrieben, an die SVP, die dann nach eigenem Ermessen das Geld auf die Kampagnen für die Partei und die Spitzenkandidaten aufteilt, sondern die Spender entschieden offenbar bereits im Voraus, welcher Kandidat besonders gefördert wird. 

In der Email schreibt Duregger wörtlich: „In einem Treffen am 16. Oktober hat schließlich Karl Zeller, als Art Koordinator des Spendensammlerkomitees, mich und Patrick Bergmeister informiert, dass der definitive mit den Spendern vereinbarte Verteilerschlüssel wie folgt lautet/e LH 250.000,00 Euro, TW 100.000,00 Euro, DA 50.000 Euro. Rest für die Abdeckung der Kosten für Wirtschaftswahlkampf und letzter Rest dann an Partei.“ 

Der Wahlkampf von LH, also von Landeshauptmann Arno Kompatscher, wurde demnach an der SVP vorbei mit der Hälfte der Parteispenden befeuert. 

Warum die finanzpotenten Förderer nicht direkt an Arno Kompatscher gespendet haben, hat mehrere Gründe. Zum einen hätte diese stattliche Summe dem Finanzamt als Einnahme gemeldet werden müssen. Zum anderen wäre dann wohl noch vor der Wahl öffentlich geworden, welche einflussreichen Gruppierungen unbedingt Kompatscher zum Landeshauptmann machen wollten. 

So wird erst jetzt, Jahre später, der Kompatscher-Spendensumpf langsam trockengelegt. Zu Tage kommen Abhängigkeiten, Gunstzuweisungen und steile Karriere aus dem Nichts. So stieg Gerhard Duregger, der mal Politikwissenschaft und Theologie studiert und das „Haus der Familie“ am Ritten geleitet hatte, vom Parteisekretär zum persönlichen Referenten des Landeshauptmannes auf.

Spendensammler Patrick Bergmeister, der erst sein zweites Studium zum Abschluss gebracht hatte, sitzt mittlerweile für Südtirol in mehreren Aufsichtsräten von namhaften Unternehmen (ALPENmag berichtete). 

Landeshauptmann Arno Kompatscher (großes Foto) und sein Mann fürs Grobe, Karl Zeller. Fotos: Fotos: SVP, Wikipedia CC BY 2.0 Dragan Tatic Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres

Insbesondere Karl Zeller steht wegen seiner diversen Verflechtungen seit langem in der Kritik. Der „Koordinator des Spendensammlerkomitees“ ist nicht nur stellvertretender SVP-Obmann und persönlicher Anwalt von Arno Kompatscher, sondern mit seiner Kanzlei an einer Reihe von sogenannten Public-private-Partnership-Projekten beteiligt, deren Erfolg oder Misserfolg maßgeblich von der Entscheidung des Landesregierung abhängen. Konkrete Fragen von ALPENmag zu ließ Zeller unbeantwortet. Auch wollte der Rechtsanwalt keine Auskunft geben, inwiefern er mit einem Südtiroler Enthüllungs-Journalisten (Name und Hintergründe sind ALPENmag bekannt) wirtschaftliche Beziehungen hat oder hatte.  

Last but not least: Heinz Peter Hager. Der Statthalter des umstrittenen Immobilienmoguls René Benko war nicht nur Teil des geheimen Parteispendensammel-Quartetts, sondern hat fleißig selbst gespendet – was lange unbemerkt geblieben ist, weil Hager seine Spenden gestückelt hat, um unter der Veröffentlichungsgrenze von 5000 Euro zu bleiben. Auf einer Pressekonferenz räumte Hager jetzt ein, er habe im Wahlkampf über seine diversen Unternehmen insgesamt „35.675 Euro gespendet“. Doch selbst diese Summe, die die gesetzliche vorgeschriebene Veröffentlichungsgrenze, immerhin um 700 (!) Prozent überschreitet, dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein.

Was Südtiroler Medien in ihrer Berichterstattung nicht weiter thematisiert haben, ist Hagers Einlassung, die auch die krumme Summe erklärt: Er, Hager,habe bei den Spenden, die ihm zugerechnet werden, seine jeweilige Unternehmensbeteiligung berücksichtigt. 

Ein fiktives Beispiel zeigt, was das bedeutet: An der Firma X, die von öffentlichen Aufträgen lebt, ist Hager zu 5 Prozent beteiligt. Er überzeugt seine Mitgesellschafter, mit welchen Argumenten auch immer, den Wahlkampf von Kompatscher mit 50.000 Euro zu unterstützen. Folgt man Hagers Rechnung, dann hätte er demnach nur 2.500 Euro gespendet… 

Mehrere Insider, die einen tiefen Einblick in den Spendensumpf um den Landeshauptmann haben, vermuten, dass Kompatscher über die Hager-Benko-Connection mindestens 150.000 Euro für seinen persönlichen Wahlkampf erhalten hat. Eine hohe Summe, die auch noch Jahre später zu einem Nachspiel führen kann, da die Unterstützung einzelner Kandidaten eigentlich auf 30.000 Euro limitiert war. 

Kritisch sind Hagers Spenden insbesondere wegen des umstrittenen Projekts von René Benko, den Virgl oberhalb von Bozen zu bebauen, mit einer Seilbahn zu erschließen und als Besuchermagnet die Gletscherleiche Ötzi dorthin zu verlegen (ALPENmag berichtete). 

Hager hat deshalb auf seiner ominösen Pressekonferenz (ALPENmag berichtete) energisch bestritten, die Spenden seien ein Versuch gewesen, Einfluß auf die noch ausstehende Entscheidung des Landeshauptmannes beim Virgl-Ötzi-Projekt von René Benko zu nehmen. Hagers Verteidigungslinie ist deshalb klar: Er hat nicht im Auftrag von Benko gehandelt, sondern als Mitglied der SVP, „weil Südtirol eine starke Volkspartei braucht“. Und aus dem Umfeld des Immobilien-Milliardärs heißt es dazu, Benko beziehungsweise dessen Firmengruppe Signa würden grundsätzlich nicht an Parteien spenden.

Doch wie passen diese Aussagen mit einer Randnotiz zusammen, über die die italienische Nachrichtenplattform Il Nordest Quotidiano berichtet hat, während die Südtiroler Medien – aus welchen Gründen auch immer – dazu schweigen: Heinz Peter Hager soll demnach bereits 2018 versucht haben, „Signas Head of Politics & PR Robert Leingruber als Wahlkampfberater der SVP“ durchzusetzen. 2018 soll es mindestens zu einem Treffen zwischen Leingruber und Kompatscher gekommen sein, erfuhr ALPENmag aus anderen Quellen.

Zum brisanten Hintergrund: Leingruber ist nicht nur ein enger Vertrauter von René Benko, sondern scheint auch eine Expertise für schmutzige Wahlkampftricks zu haben. So schrieb die Politik-Insiderin Alexandra Bader in ihrem Blog „Ceiberweiber“ im Juni 2021 in einem Beitrag über den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Christian Kern: „Im Verlauf des damaligen Wahlkampfes wurde immer mehr bekannt, zum Beispiel, dass der ehemalige Gusenbauer-Sprecher Robert Leingruber, der im Dezember 2008 zu Rene Benkos Signa gegangen war, ein Dossier für Silberstein über Kern verfasst hatte.“

Mit Silberstein ist Tal Silberstein gemeint. Dessen Name steht für eine Dirty Campaigning-Affäre während des Wahlkampfs 2017, die ganz Österreich erschüttert hat. Für Schlagzeilen hatte der ehemalige Offizier der israelischen Armee auch gesorgt, als er wegen des Verdachts der Bestechung, Urkundenfälschung und Geldwäsche kurzzeitig festgenommen wurde.

Ein hochrangiger SVP-Politiker, der aus Angst vor Rache anonym bleiben, zu ALPENmag: „Kompatscher ist ein Mann mit zwei Gesichtern. In der Öffentlichkeit gibt er den netten, transparenten Landeshauptmann, aber abseits der Kameras ist er beinhart und ist jederzeit bereit, auch foul zu spielen, um seine Ziele durchzusetzen. Er hat sehr geschickt in seinem Umfeld Personen an den Schaltstellen der Macht installiert, die ihm hörig sind und ihn schützen. Es ist schon eindrucksvoll, welche Menschen plötzlich große Karrieresprünge gemacht haben, obwohl ihre Leistungen und Qualifikationen eher mittelmäßig sind.“