LH Arno Kompatscher: Die Nebelkerzen-PK des Statthalters von René Benko
Bozen (Südtirol, 29. März 2022) – Der Parteispendenskandal um Landeshauptmann Arno Kompatscher von der Südtiroler Volkspartei (SVP) zieht immer größere Kreise. Nachdem gestern alle Oppositionsparteien gemeinsam den Rücktritt des umstrittenen Landeshauptmannes gefordert hatten, blies Heinz Peter Hager, der Südtiroler Statthalter des Immobilienmoguls René Benko, heute Vormittag per eilig einberufener Pressekonferenz zur Gegenoffensive.
Geschickt zündete Hager eine Reihe von Nebelkerzen und schob den schwarzen Peter dem SVP-Obmann Philipp Achammer zu, dem er sogar schlagzeilenwirksam die Straftat einer versuchten Erpressung unterstellte.
Achammer, so erzählt Hager auf der Pressekonferenz, habe ihn am 2. September um 10 Uhr im Büro aufgesucht und von einem Buchprojekt berichtet, das mittlerweile unter dem Titel „Freunde im Edelweiss“ erschienen ist. Achammer, so Hager weiter, hätte gesagt, „man müsse alles tun, um das Erscheinen dieses Buches zu verhindern, weil dieses Buch einen großen Schaden für die SVP anrichten würde“. Außerdem soll der SVP-Obmann gesagt haben, dass – wenn dieses Buch erscheint – „auch die Sache mit den Wahlspenden 2018 ans Tageslicht käme, diese Sache könnte mir und dem Landeshauptmann schaden“.
Hager wertet diese Aussage jetzt, fast sieben Monate später, als Straftat. Wörtlich sagte Hager nach übereinstimmenden Medienberichten: „Mit anderen Worten hat der Parteiobmann versucht, mich zu erpressen, was ihm aber nicht gelang – weil alles rechtens war.“
Fakt ist, Achammer lag mit seiner damaligen Einschätzung der Lage auch in der Rückschau völlig richtig. In dem mittlerweile erschienen Buch „Freunde im Edelweiss“ werden Telefongespräche wiedergegeben, die im Zuge der SAD-Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft abgehört worden waren, aber nichts mit dem Korruptionsskandal zu tun hatten. Vielmehr geht es in diesen Protokollauszügen um persönliche und teils derbe Ansichten über vermeintliche Parteifreunde. Dass dieses Buch, gegen dessen Autoren mittlerweile mehrere straf- und zivilrechtliche Anzeigen vorbereitet werden, schweren Schaden ausgelöst hat, ist unstrittig. Die Südtiroler Volkspartei befindet sich in ihrer schwersten Krise seit ihres Bestehens und mittlerweile wird noch nicht einmal eine Spaltung ausgeschlossen. Dreh- und Angelpunkt ist Landeshauptmann Arno Kompatscher, da sein Mann fürs Grobe, Vize-Obmann Karl Zeller, hinter der Abhöraffäre stecken soll. Zeller soll, so berichtet die renommierte Tageszeitung Die Dolomiten die Telefonmitschnitte an die Journalisten durchgestochen haben und unterfüttert diesen schweren Vorwurf auch mit Dokumenten. Zeller hat diese Berichterstattung dementiert, aber die Zeitung bleibt bei ihrer Darstellung.
Richtig ist ebenso Achammers Einschätzung, dass mit dem Abhörskandal auch die SVP-Parteispendenaffäre ans Licht kommt. Wie unter anderem ALPENmag berichtete, hatte im Vorfeld der 2018er Wahl ein geheimes Spendengremium Geld gesammelt, das vor allem in den persönlichen Wahlkampf von Arno Kompatscher floß. Dabei wurden gesetzliche Transparenz- und Offenlegungspflichten geschickt umgangen. So räumte Hager jetzt ein, berichtet die RAI Tagesschau, er habe „persönlich 35.000 Euro für den Wahlkampf der SVP“ gespendet. Jedes Wort ist hier wichtig, schließlich stand Hager als Statthalter von René Benko im Verdacht, er könne für den österreichischen Immobilienmilliardär „politische Landschaftspflege“ betreiben.
Aber alle, die Benko aus der Ära des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz kennen, in der auch die Ibiza-Affäre publik wurde, wissen, dass der gebürtige Innsbrucker grundsätzlich nicht an Parteien spendet. Benko hat andere Methoden. Ihm gehören maßgebliche Medien in Österreich. Und in seinen diversen Gremien finden sich immer wieder altbekannte Namen aus Politik und Wirtschaft. Sprich: Benko hat immer einen direkten Draht nach ganz oben – was per se nicht illegal ist.
Weiter zu den acht Worten „persönlich 35.000 Euro für den Wahlkampf der SVP“: Nachdem Parteispenden über 5000 Euro veröffentlicht werden müssen, lässt dies nur den Schluss zu, dass Hager beim Spenden bewusst die Öffentlichkeit täuschen wollte. Inwieweit dies noch juristische Konsequenzen hat, wird sich zeigen. Dass Hager nur ein paar Sätze später in der Pressekonferenz eine „komplette Transparenz bei den Wahlspenden aller Parteien“ fordert, muss man nicht verstehen.
Der Bozener Wirtschaftsberater betonte außerdem, dass es bislang kein „Wohlwollen der Politik“ gegeben habe – auch nicht beim Thema Ötzi-Museum auf dem Virgl. Was Hager sagt, ist korrekt – und eine weitere geschickte Nebelkerze. Niemand glaubt allen Ernstes, dass ein Landeshauptmann für eine 5000-Euro-Wahlkampfspende ein millionenschweres Projekt durchwinkt, das in der Öffentlichkeit hochkritisch gesehen wird.
Hager bestreitet auch, dass es ein geheimes Spendenkomitee gegeben habe, räumt aber ein, es „habe einige Treffen gegeben, bei denen man überlegt habe, wen man noch um Spenden fragen könnte“. Was so ziemlich das gleiche ist.
Zu diesem ominösen Spenden-Quartett gehörten neben Hager auch Karl Zeller, Patrick Bergmeister und Wahlkampfleiter Thomas Widmann. Warum haben sich diese vielbeschäftigten Männer gemeinsam das Hirn zermartert, um Wahlkampfspenden zu generieren? Eine offizielle Erklärung gibt es nicht, aber es gibt viele offene Fragen, die ALPENmag heute an die Südtiroler Landesregierung und die Südtiroler Volkspartei gestellt hat – und die bislang nicht beantwortet wurden.
Ein Thema: Die wundersame Karriere des Patrick Bergmeisters, der erst im zweiten Anlauf sein Studium geschafft hat, aber jetzt plötzlich, mit nur 38 Jahren, für Südtirol in diversen Aufsichtsräten und Gremien sitzt. So ist Bergmeister Präsident des Aufsichtsrates der Mediocredito Investitionsbank, an der Südtirol Anteile hält. Außerdem sitzt Bergmeister im Aufsichtsrat der Brennerautobahn AG, an der die autonome Region Trentino-Südtirol mit 32,2893 Prozent beteiligt ist. Und Bergmeister hat einen prestigeträchtigen Posten bei der „Infrastrutture Milano Cortina 2020-2026 S.p.A. inne, der Investitionsgesellschaft für die Olympischen Winterspiele 2026, zu deren Gesellschafterkreis ebenfalls Südtirol gehört. In allen Fällen gibt es einen Mann, der bei solchen hochrangigen Personalentscheidungen eine wichtige, wenn nicht die wichtiges Stimme hat: der Südtiroler Landeshauptmann.
Fragen von ALPENmag an die SVP und an die Südtiroler Landesregierung, wie es zu den vielen Jobs für Bergmeister kam, was ihn für die einzelnen Positionen qualifiziert oder wie hoch die jeweilige Vergütung ist, blieben wie gesagt unbeantwortet.
Auch Heinz Peter Hager scheint ein gewisses Geschick für lukrative Jobs zu haben. So wurde nach einer Anfrage des Landtagsabgeordneten Paul Köllensperger (Team K) bereits 2017 bekannt, dass Heinz Peter Hagers Kanzlei von Südtirol und seinen Gesellschaften in zehn Jahren 2,3 Millionen Euro an Zahlungen kassiert hat. „Meistens erfolgten die Aufträge über Direktvergaben“, schrieb damals Die Neue Südtiroler Tageszeitung. Was übersetzt bedeutet, dass es keine Ausschreibung gegeben hat und Mitbewerber damit ohne jede Chance waren, an die Aufträge zu kommen.
Und auch beim geheimen Spenden-Mitstreiter Karl Zeller findet man merkwürdige Zufälle. So kassierte Zeller als Rechtsbeistand von der Therme Meran AG zwischen 2007 und 2017 Honorare in Höhe von insgesamt 80.700 Euro, wie die Landesregierung auf die Anfrage des Abgeordneten Köllensperger einräumte. Von Zeller unbeantwortet ist auch die Frage von ALPENmag, wie es dazu kam, dass Stefan Thurin, Sozius in Zellers Kanzlei Thurin, Vinatzer, Zeller & Partner, im Mai 2019, also nach der umstrittenen Parteispendensammelaktion für Landeshauptmann Arno Kompatscher, plötzlich zum Präsidenten der Therme AG Meran aufsteigen konnte.
In dem Bericht über die Landtagsanfrage zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen schrieb die Neue Südtiroler Tageszeitung auch noch folgenden Satz: „Bekannt ist aber auch: Zeller bekam stets zahlreiche Anwalts-Aufträge von Gemeinden (Meran).“
Update: Erklärung der SVP
Am Abend reagierte die SVP auf die Fragen von ALPENmag und schickte folgende Erklärung:
„Bezugnehmend auf Ihre Fragen können wir Ihnen mitteilen, dass Herr Patrick Bergmeister der Wirtschaftsberater der Südtiroler Volkspartei sowie der Stiftung Südtiroler Volkspartei ist. In dieser seiner Funktion und als Mitglied der parteiinternen Finanzkommission hatte er 2018 den Auftrag erhalten, das für den Wahlkampf 2018 vorgesehene Budget, welches von der Parteileitung per Beschluss beschlossen worden ist, zu kontrollieren, damit im Hinblick auf die Wahlkampfausgaben die finanzielle Deckelung sichergestellt war.“
Update: Patrick Bergmeister
Am Abend schickte Patrick Bergmeister folgende Stellungnahme an ALPENmag:
„Für die von Ihnen angeführten Ämter in Kontrollorgangen von Gesellschaften sind die beruflichen Voraussetzungen gesetzlich vorgeschrieben, sowie die Ernennung, welche von der jeweiligen Gesellschafterversammlung erfolgt. Die Entschädigungen sind, wie vom Gesetzt vorgesehen, im Bilanzanhang der jeweiligen Gesellschaft zu entnehmen.“