Die Stadt bin ich – wie ehrlich meint es René Benko mit Bozen?

Bozen (Südtirol, 8. Februar 2022) – Ob in Wien, Berlin, Hamburg oder Düsseldorf – die Masche des Immobilien-Milliardärs René Benko ist immer die gleiche: Für die jeweilige Stadtführung ist der gebürtige Innsbrucker der finanzpotente Problemlöser und für sich selbst ist Benko der, der aus viel Geld noch mehr Geld macht. Auch der Stadt Bozen hat der mit der Politik bestens vernetzte Benko ein Angebot gemacht. Wie moralisch die Offerte ist, wird sich zeigen. Vorsicht ist aber geboten, wie die große Benko-Dokumentation „Die Stadt bin ich“ in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ belegt.

Man kennt sich: René Benko und Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher. Fotos: Signa/Autonome Provinz Bozen – Südtirol 

Benko ist in Bozen über sein Unternehmen Signa bereits seit Jahren aktiv. Entstanden ist ein Luxuswohnquartier, der Busbahnhof wurde verlegt und ein Einkaufszentrum wird geplant. Sein Meisterstück soll aber auf dem Virgl entstehen, dem Hausberg direkt über dem Stadtzentrum, durch dessen Fuß ein langer Tunnel der Brennerautobahn führt. Benko hat den größten Teil des ungenutzten und verwahrlosten Geländes gekauft und große Pläne präsentiert. Er will hier ein Konzerthaus und ein Museum als neue Bleibe für die Gletschermumie Ötzi errichten. Die Stadt soll die Immobilien langfristig mieten, und die Besucher können dann direkt von der Stadtmitte auf den Virgl gondeln – per Seilbahn, die natürlich Benko bauen und betreiben will. So der Plan.   

Im „Spiegel“ spricht Benkos Bozen-Statthalter Heinz-Peter Hager von einem Win-win-Deal, und das Nachrichtenmagazin schreibt: „Die Stadt bekomme `Sicherheit´, weil sie die Immobilien für 50 Jahre anmietet. Klar, das kostet sie Millionen, aber dafür dürfe sie ja die Ticketeinnahmen der Museen auf dem Berg behalten. Im Tal erhofft sich die Signa derweil Baurecht für einige attraktive Grundstücke in der Innenstadt. Alles in allem sie sein Vorschlag `cashneutral´ für Bozen und Südtirol, wirbt Hager.“

Es sei ihm klar, dass Benko von Beginn an einen Masterplan Bozen verfolgte, wird Toni Ebner, der einflussreiche Chefredakteur der Tageszeitung „Dolomiten“ in einem Bericht der Rechercheplattform Addendum zitiert. „Sicher ist, dass Baugenehmigungen ausgestellt worden sind, die kein Südtiroler Unternehmer je bekommen hätte“, sagt Ebner, dessen Familie Eigentümer der Athesia-Verlagsgruppe ist, in der unter anderem die Dolomiten erscheint. 

Auf dem Virgl über Bozen will René Benko das Ötzi-Museum und ein Konzerthaus realisieren. Foto: SIGNA Prime Selection AG

Doch es gibt Gegenwind gegen Benkos Monopoly-Strategie. Wenn das Vorhaben floppe, säße Bozen auf einem Trümmerhaufen, warnt Paul Köllensperger. Er kenne, so zitiert „Der Spiegel“ den Oppositionspolitiker im Sütiroler Landtag, „keine andere Stadt, in der ernsthaft überlegt werde, die wichtigste Attraktion `als Maskottchen´ für einen Immobilienentwickler herzugeben.

Befürchtungen, der erfolgsverwöhnte Benko könne auch mal scheitern, werden dadurch genährt, dass sein Imperium mit über 200 Unterunternehmen und unbekannten Investoren für Außenstehende nicht transparent ist. Zumindest Bozens Ex-Bürgermeister Luigi Spagnolli gibt sich entspannt. „Ich habe überhaupt kein Interesse, zu erfahren, woher sein Geld stammt. Aber wenn es einer schafft, den Schlüssel zu finden, damit die reichen Leute zu ihm kommen und sie ihm dadurch die Möglichkeit geben, selbst reicher zu werden, dann ist er genial“, wird Spagnolli in dem Addendum-Artikel zitiert.

Wenn es nach René Benko geht, soll die Gletschermumie Ötzi von der Bozener Innenstadt auf den Virgl umziehen. Foto: Südtiroler Archäologiemuseum/foto-dpi.com

Bei der Frage, ob Ötzi von der Bozener Innenstadt auf den Virgl zieht, hat auch Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher ein gewichtiges Wort mitzureden. Derzeit hält sich der Landeshauptmann noch bedeckt, dementierte aber bereits 2019 scharf den Bozener Vizebürgermeister Christoph Baur, der behauptet hatte, Kompatscher habe ihm versprochen, „dass der Virgl nicht zum Standort des neuen Museumsquartiers“ werde.

Dass Kompatscher derzeit versucht, sich alles offen zu halten und in der Öffentlichkeit nicht zu viel Nähe zu Wirtschaftsgrößen wie Benko zu zeigen, ist verständlich. Vor Weihnachten erschienen bei Kompatscher Ermittler der Bozener Staatsanwaltschaft und präsentierten dem Landeshauptmann einen Durchsuchungsbeschluss. Laut Medienberichten wurden Datenträger und Akten beschlagnahmt. 

Auslöser der Ermittlungen ist ein Deal mit zwanzig Millionen FFP2-Masken, die das Bozener Unternehmer Oberalp zu Beginn der Corona-Pandemie in China eingekauft, mit politischer Unterstützung nach Europa geflogen und dann in Südtirol und Österreich verkauft hatte. Die Masken, so wurde später festgestellt, entsprachen jedoch nicht dem Industriestandard und boten keinen Schutz vor einer Virenübertragung, was unabhängige Gutachten zweier Labore in Deutschland und Österreich auch belegen. Auch in Österreich wird deshalb ermittelt. Hier prüft die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft den Vorwurf des schweren Betrugs.

Der Südtiroler Investigativjournalist Christoph Franceschini enthüllte erst vor wenigen Tagen auf der Nachrichtenplattform Salto.bz, welche Rolle Kompatscher bei dem Maskendeal gespielt haben soll, nachdem es mitten im Lockdown schwierig war, die dringend benötigten Masken schnellstmöglich nach Europa zu transportieren: „Deshalb war es Landeshauptmann Arno Kompatscher, der in einer SMS den damaligen österreichischen Kanzler Sebastian Kurz um Amtshilfe ersuchte. Die einfache Bitte: Könnte nicht Österreich das Material aus China einfliegen? Kurz übergab die Bitte an Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, die noch am selben Tag einen Transport mit zwei Passagiermaschinen der österreichischen Fluggesellschaft AUA organisierte.“

Blick auf Bozen Richtung Süden: Links neben der Altstadt liegt der Bahnhof. Direkt dahinter erhebt sich der Virgl. Foto: IDM Südtirol-Alto Adige/Clemens Zahn

Zurück zum Virgl: „Wenn die Landesregierung auch nur einen Deut auf den ganzen Schwurbel gibt, wie sie ihn ins Gesetz geschrieben hat, dann ist der Riesenklotz am Virgl nicht tragbar“, schreibt der Bozener Architekt Lukas Abram in einem Blogbeitrag und fordert, den Hügel nicht zu bebauen: „Wir werden in Zukunft froh über jede Freifläche im Stadtgebiet sein. Das Klima ändert sich, es wird wärmer, wir brauchen Erholungs- und Auslaufzonen, Stadtspaziergänge, frische Luft, Grün für alle. Wir Bürger dieser Stadt haben Anrecht auf Nutzung des Stadtgebiets, es darf nicht alles dem Tourismus und ökonomischen Privatgewinn geopfert werden.“

Abram führt dabei in seinem Blogbeitrag auf salto.bz eine ganze Liste von Fakten auf, die gegen die Bebauung sprechen: „Das Projekt zieht zusätzliche stadtplanerische Probleme nach sich. Es verbaut eine der wenigen unbebauten Gebiete Bozens. Es liegt abseits von allem, außer von der zukünftigen privaten Geldmaschine der Signaholding. Die Stadt wird weiter zersplittert.“

Der Standort liege demnach komplett außerhalb einer sinnvollen Stadtentwicklung und Siedlungsstruktur. Es werde dadurch zu einem Abzug von Kaufkraft aus der Stadt zugunsten eines ausländischen Investors kommen, „welcher seine Steuern nicht hier bezahlt“. Außerdem sei das geplante Museum zu Fuß nur mit einigem Aufwand zu erreichen, sonst nur über Bezahlung eines Seilbahntickets. Weiterhin sei das Areal nach der Bauleitplanung nicht für Bebauungen dieser Größenordnung vorgesehen.

„Es besteht ein sehr hohes geologisches Risiko“, warnt Abram. Um das Gelände vor einem Hangrutsch zu sichern, müsse „der Bauplatz mit großem Ressourcenaufwand erst bebaubar gemacht werden“. Wer für die Erschließung zahle, sei unklar. Abrams Fazit: „Die Zementifizierung des Virgls ist inkompatibel mit der Idee einer Naherholungszone.“

Benko, Ötzi, Masken und zwielichtige Politiker – in Südtirol ist einiges los. Mehr dazu bald wieder auf ALPENmag.