Hat der Rausschmiss von Landesrat Widmann ganz andere Gründe?
Bozen (Südtirol, 2. April 2022) – Wie ALPENmag exklusiv aus dem Umfeld von Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher erfahren hat, geht es bei Entmachtung von Gesundheits-Landesrat Thomas Widmann wohl nicht primär um dessen Lästereien über den Regierungschef, sondern um den Masken- und Spendenskandal, in den Kompatscher möglicherweise tiefer verstrickt ist als bislang bekannt.
„Die Äußerung von Widmann in einem privaten Telefongespräch, dass sein Chef Kompatscher der „schlechteste Landeshauptmann, den wir je hatten“ sei, ist auch dem Kompatscher seit über einem Jahr bekannt. Und auch er weiß, dass es in der Politik gang und gäbe ist, wenn Parteifreunde hinter dem Rücken schlecht reden“, so der Insider.
Ziel sei es vielmehr, Widmann aus dem Verkehr zu ziehen. Mitten in einer weltweiten Pandemie einem anerkannten und respektierten Gesundheitsexperten die Ressortverantwortung zu entziehen und dieses schwierige Feld nebenbei selbst zu übernehmen, sei eigentlich Wahnsinn, mache aber in diesem Fall für Kompatscher möglicherweise durchaus Sinn, erklärt der Insider, der nicht genannt werden will: „Erst vor Weihnachten hat die Staatsanwaltschaft im Zuge des Maskenskandals (ALPENmag berichtete) das Büro von Kompatscher sowie weitere Räumlichkeiten durchsucht und zahlreiche Akten beschlagnahmt. Es ist davon auszugehen, dass im Zuge der weiteren Ermittlungen auch zahlreiche Zeugen aus dem Gesundheitsbereich befragt werden. Mit Kompatscher als direkten obersten Chef wird der eine oder andere sich sicherlich sehr genau überlegen, ob er sich an bestimmte Details noch erinnern kann. Unter einem Chef Widmann, von dem man wusste, dass das Verhältnis zum Landeshauptmann nicht das Beste ist, wäre das anderes gewesen.“
Gleichzeitig sei die politische Exekution des hochgeschätzten Gesundheitsexperten ein Signal an das gegnerische Lager in der eigenen Partei. „Kompatscher macht keine Gefangenen. Er wird alles daran setze, an der Macht zu bleiben. Und er erstickt damit auch die Debatte um die Parteispenden, nachdem parteiintern die Kritik an der ungleichen Verteilung der finanziellen Mittel zu seinen Gunsten in den vergangenen Wochen immer lauter geworden ist. Viele sagen, Kompatscher wäre nie zum Landeshauptmann gewählt worden, wenn er nicht entsprechende Finanzmittel für seinen Wahlkampf gekommen hätte.“ (ALPENmag berichtete)
Ein weiterer Teil der Strategie ist es, Karl Zeller, Kompatschers Mann fürs Grobe, zu opfern. „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan“, sagt der Insider und spielt damit auf die mit Dokumenten untermauerte Berichterstattung der Zeitung „Dolomiten“ an, wonach Zeller es war, der die von der Staatsanwaltschaft im Zuge der SAD-Affäre aufgezeichneten privaten Telefongespräche an die Medien durchgestochen haben soll – was Zeller bestreitet. Dabei geht es um einen USB-Stick mit 6.000 Seiten geheime Ermittlungsakten sowie über 500 Stunden Telefonmitschnitte und Observierungsberichte.
Obwohl Zeller bereits in der Vergangenheit erklärt hatte, er werde sich aus der Politik zurückziehen, stellt der Vize-Obmann jetzt klar, dass er nicht weichen werde. „Das ist klare Taktik, um den Preis für die Gegenseite hochzutreiben“ so der Insider. „Kompatscher will unbedingt durchsetzen, dass Christoph Perathoner als Bozner SVP-Bezirksobmann zurücktritt. Und der Rückzug von Zeller ist hierfür sein Faustpfand, damit die SVP, die endlich Frieden in ihren Reihen haben will, mitspielt.“
Zeller dürfte dieses Spiel mitspielen. „Kompatscher ist Zeller dann wieder etwas schuldig“, so der Insider. Wie ALPENmag bereits berichtet hat, hat Zeller, einer der vier ominösen SVP-Spendensammler, immer wieder von öffentlichen Aufträgen profitiert. So kassierte Zeller als Rechtsbeistand von der Therme Meran AG zwischen 2007 und 2017 Honorare in Höhe von insgesamt 80.700 Euro, wie die Landesregierung auf die Anfrage des Abgeordneten Köllensperger eingeräumt hat. Und Stefan Thurin, Sozius in Zellers Kanzlei Thurin, Vinatzer, Zeller & Partner, stieg im Mai 2019, also nach der umstrittenen Parteispendensammelaktion für Landeshauptmann Arno Kompatscher, plötzlich zum Präsidenten der Therme AG Meran auf.
In dem Bericht über die Landtagsanfrage zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen schrieb die Neue Südtiroler Tageszeitung damals auch noch folgenden Satz: „Bekannt ist aber auch: Zeller bekam stets zahlreiche Anwalts-Aufträge von Gemeinden (Meran).“
Wie ALPENmag erfahren hat, hat Zeller erneut den Zuschlag für eine lukrativen öffentlichen Auftrag über eine sechsstellige Summe erhalten. So geht aus der schriftliche Landtagsanfrage Nr. 2016/22 vom 15.01.2022 hervor, die die Landtagsabgeordneten Paul Köllensperger, Franz Ploner, Maria Elisabeth Rieder und Alex Ploner eingereicht hatten, dass der Auftrag für eine Machbarkeitsstudie an die „FMS Gmbh, Prof. W. Obwexer, R.A. K. Zeller“ aus Gaimersheim bei Frankfurt geht. Dass ein deutsches Unternehmen den Zuschlag vor mehreren italienischen Bewerbern sowie den Branchenriesen Deloitte und PWC erhält, ist ungewöhnlich – oder vielleicht doch nicht.
Auftraggeber ist die Brennerautobahn AG. Dort im Aufsichtsrat sitzt Patrick Bergmeister, der mit Zeller gemeinsam die SVP-Parteispenden eingetrieben und danach eine wundersame Karriere in Unternehmen gemacht hat, an dem das Land Südtirol maßgeblichen Einfluss hat (ALPENmag berichtete). Von ALPENmag auf die diversen Aufsichtsratsposten angesprochen, hat der 38Jährige erst gar nicht versucht, sein überaus großes Talent darzustellen, sondern klar gemacht, dass er immerhin die Mindestvoraussetzungen erfülle. „Für die von Ihnen angeführten Ämter in Kontrollorgangen von Gesellschaften sind die beruflichen Voraussetzungen gesetzlich vorgeschrieben, sowie die Ernennung, welche von der jeweiligen Gesellschafterversammlung erfolgt“, so Bergmeister zu ALPENmag.
Und Karl Zeller zeigt, wie man viele Aufgaben offenbar miteinander verknüpfen kann: Spendeneinsammler für den Wahlkampf des Landeshauptmannes, Vizeobmann der SVP, Rechtsanwalt des Landeshauptmannes und seines Stellvertreters als Privatpersonen, Koordinator der Landesregierung für PPP-Projekte sowie anwaltlicher Berater von Firmen, die sich um PPP-Projekte bemühen, und auch gerne mal an die SVP spenden ….
In ihrem Buch „Freunde im Edelweiß – Ein Sittenbild der Südtiroler Politik“, in dem die privaten Telefongespräche veröffentlich sind, schreiben die Autoren Christoph Franceschini und Arthur Oberhofer, einen Satz, der alles erklärt: „Es ist ein Kampf um die Macht im Land und um lukrative öffentliche Aufträge. Ein beinharter Kampf um viel Geld.“ Und Arno Kompatscher will vor allem eines: Gewinnen und im Amt bleiben.