Kunst für den Frieden: 100 Jahre Salzburger Festspiele

Salzburg (15. Januar 2020) –   „Wir glauben daran, dass die Kunst der wahre Erlöser der Menschheit von Jammer der Kriegsnot sein wird.“ Mitten in der Katastrophe des Ersten Weltkrieges wuchs 1917 in Salzburg die Idee, Festspiele als Appell für den Frieden zu initiieren. 1920 fanden dann die ersten Salzburger Festspiele statt, und am 22. August 1920 klangen zum ersten Mal die Jedermann-Rufe über den Domplatz. 

Blick über die Jedermann Bühne am Domplatz
Foto: Tourismus Salzburg GmbH, Günter Breitegger

„Mit der Idee von Festspielen suchten die Gründerväter, der Bühnenmagier Max Reinhardt, der Poet Hugo von Hofmannsthal, der Komponist Richard Strauss, der Wiener Hofoperndirektor Franz Schalk und der wunderbare Bühnenbildner Alfred Roller, Ordnung nach dem geistigen und finanziellen Chaos des Krieges bringen und eine neue, bessere Welt aufbauen helfen – ein erstes Friedensprojekt schwebte ihnen vor“, sagt die heutige Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler im Vorfeld des 100jährigen Jubiläums der Salzburger Festspiele, die vom 18. Juli bis zum 30. August 2020 stattfinden.

Florian Wiegand, Helga Rabl-Stadler, Markus Hinterhäuser, Bettina Hering and Lukas Crepaz
Foto: SF/Anne Zeuner

Von Max Reinhardt ist die Einsicht überliefert, dass nur die Kultur die vom Krieg gegeneinander gehetzten Menschen, die vom Krieg zerrissenen Völker wieder zusammenbringen könnte. „Ich glaube, dass Salzburg wegen seiner wundervollen zentralen Lage, seiner landschaftlichen und architektonischen Pracht, seiner historischen Merkwürdigkeiten und Erinnerungen und nicht zuletzt seiner unberührten Jungfräulichkeit wegen dazu berufen ist, Wallfahrtsort zu werden für die zahllosen Menschen, die sich aus dem blutigen Gräuel dieser Zeit nach den Erlösungen der Kunst sehnen. Gerade dieser Krieg hat bewiesen, dass das Theater nicht entbehrlicher Luxus für die oberen Zehntausend, vielmehr ein unentbehrliches Lebensmittel für die Allgemeinheit ist.“

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg spielten die Salzburger Festspiele eine eminent positive politische Rolle: Nur drei Monate, nachdem sich Salzburg am 4. Mai 1945 entgegen dem Befehl kampflos ergeben hatte, fanden mit Unterstützung der amerikanischen Besatzungsmacht wieder Festspiele statt. Obwohl die Stadt von Bombenschäden schwer gezeichnet war, obwohl Soldaten und Flüchtlinge die Stadt überschwemmten und obwohl es am Nötigsten, der Nahrung, fehlte. Wieder einmal kam, wie nach dem Ersten Weltkrieg, die politische Mission der Festspiele zum Tragen: General Mark Clark, der Oberbefehlshaber der bis zum Staatsvertrag 1955 in Salzburg bestimmenden amerikanischen Besatzungsmacht, wählte für sein erstes öffentliches Auftreten in Österreich die Eröffnung der Festspiele, weil er darin eine „Feier zur Wiedergeburt der kulturellen Freiheit“ sah: „Ich bin mir sicher bewusst, dass diese frühe Einführung ihrer Festspiele ein Beweis dafür ist, dass die gemeinsame Arbeit des österreichischen Volkes und der Vereinten Nationen, ein freies unabhängiges Österreich wiederherzustellen, bald glücken wird.“

Im Jahr 2020 steht bei den Salzburger Festspiele besonders ein Werk im Mittelpunkt, das im Leben aller drei Festspielgründer – Richard Strauss, Hugo von Hofmannsthal und Max Reinhardt – eine große Rolle gespielt hat, nämlich „Elektra“ von Richard Strauss. 

Das komplette Festspiel-Programm und Karten gibt es hier: https://www.salzburgerfestspiele.at/karten/kalender?season=8

Hugo von Hofmannsthals gleichnamiges Schauspiel nach der Tragödie von Sophokles wurde 1903 in der Regie von Max Reinhardt in Berlin uraufgeführt. Im Publikum saß Richard Strauss, der die Begegnung mit Hofmannsthal als schicksalhaft empfand. Er bat Hofmannsthal 1906 in einem Brief, ihm „in allem Komponierbaren von Ihrer Hand das Vorrecht zu lassen. Ihre Art entspricht so sehr der meinen, wir sind füreinander geboren und werden sicher Schönes zusammen leisten, wenn Sie mir treu bleiben“.

Bereits im selben Jahr begann Richard Strauss die Komposition seiner einaktigen Oper. Drei Jahre später, am 25. Januar 1909, wurde die Oper in Dresden mit großem Erfolg uraufgeführt.

Jedermann: Die neue Buhlschaft

Eröffnet werden die Salzburger Festspiele am 18. Juli 2020 mit „Jedermann“. Die Bekanntgabe der neuen Buhlschaft ist im Vorfeld der Festspiele alljährlich ein Medienereignis. Im Jubiläumsjahr übernimmt Caroline Peters diese herausragende Nebenrolle an der Seite von Jedermann Tobias Moretti.

Die Künstlerin schloss ihr Schauspielstudium an der Hochschule des Saarlandes für Musik und Theater in Saarbrücken ab. Schon während ihres letzten Studienjahres wurde sie von Andrea Breth an die Berliner Schaubühne engagiert. Es folgten Engagements an allen wichtigen deutschsprachigen Bühnen. Sie spielt an den Schauspielhäusern Hamburg, Köln und Zürich, an der Berliner Volksbühne sowie am Burgtheater in Wien, an dem sie seit 2004 Ensemblemitglied ist. Caroline Peters wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Adolf-Grimme-Preis (2007), dem Ulrich-Wildgruber-Preis (2012) und dem Bayerischen Fernsehpreis (2013). 2016 wurde sie mit dem Deutschen Schauspielerpreis als „Beste Schauspielerin in einer komödiantischen Rolle“, 2018 für ihre herausragende schauspielerische Leistung in „Hotel Strindberg“ mit dem Nestroy-Preis geehrt. 2016 und 2018 wurde Caroline Peters von der Fachzeitschrift Theater heute als „Theaterschauspielerin des Jahres“ ausgezeichnet. 

Helga Rabl-Stadler, Caroline Peters and Bettina Hering
Foto: SF Anne Zeuner

Im Gespräch mit Caroline Peters 

Kaum eine Rolle ruft bei den Salzburger Festspielen mehr Medien-Interesse hervor als die Buhlschaft. Wie war Ihre Reaktion auf das Angebot, die Rolle im Jubliläumsjahr 2020 zu spielen? 

Caroline Peters: Ich war sehr überrascht – und ich habe mich gefreut! 

Oft wird die Buhlschaft mit Sinnlichkeit und Erotik assoziiert, in Theaterkreisen heißt es, sie sei die wichtigste Nebenrolle – sie besteht aus nur 30 Sätzen. Was macht den Reiz dieser Figur für Sie aus? 

Caroline Peters: Für mich liegt der Reiz des Jedermann-Abenteuers in der gesamten Geschichte. Dass seit 100 Jahren jedes Jahr dafür zusammengekommen wird, fasziniert mich. Dass Max Reinhardt 1920 etwas in Gang gesetzt hat, an dem ich heute direkt teilhaben kann, ist erstaunlich. 

Wenn Sie sich die Reihe der bisherigen Buhlschaften anschauen, gibt es da eine, die Ihnen besonders nahe ist oder die Sie inspiriert? 

Caroline Peters: Oh da sind einige Kolleginnen dabei, die ich sehr toll finde wie Senta Berger, Birgit Minichmayr, Sophie Rois. 

Freuen Sie sich auf die Zusammenarbeit mit Tobias Moretti und dem gesamten Ensemble? Haben Sie bereits mit Kollegen und Kolleginnen zusammengearbeitet? 

Caroline Peters: Ja natürlich, ich freu mich drauf. Ich glaube, die Tatsache, dass es ein Jubiläum gibt, wird aus diesem Jahr etwas ganz Besonderes machen. Aus der Arbeit kenne ich vor allem Edith Clever und Mavie Hörbiger, die ich sehr mag. Und mit Tobias Moretti habe ich ja einen sehr erfahrenen Jedermann, der schon zwei Buhlschaften vor mir hatte. Ich hoffe, er freut sich auch auf mich. 

Was macht den Reiz am Theater unter freiem Himmel und auf dem Domplatz für Sie aus? 

Caroline Peters: Ein Dom als Kulisse ist einfach monumental. Ich habe noch nie unter freiem Himmel gespielt und kann es mir noch gar nicht so genau vorstellen. 

Was denken Sie, warum der Jedermann seit 1920 so erfolgreich aufgeführt wird? Ist es für Sie ein zeitgemäßes Stück? 

Caroline Peters: Zeitgemäß wäre nach meiner Definition etwas, dass aus unserer Zeit kommt. Der Erfolg ist neben den Schauspielern, Inszenierungen und dem ewiggültigen Thema auch bestimmt durch dieses gemeinsame Zusammenkommen in der Hitze des Sommers, in der prächtigen Kulisse, mit prächtigen Leuten sitzen – und danach essen und trinken. Diese Komponenten verleihen dem gesamten Erlebnis ungeheure Haltbarkeit und Stabilität. Das gefällt mir daran und gibt mir das Gefühl, ein Teilstück von einem unendlich langen Weg zu sein.