Bis zu 10 Jahre Haft? Was René Benko jetzt drohen könnte

Innsbruck (Tirol, 21. Dezember 2023) – Nach der Klage des Staatsfonds von Abu Dhabi auf Rückzahlung von 713 Millionen Euro (ALPENmag berichtete) drohen René Benko möglichweise auch strafrechtliche Konsequenzen. 

Die österreichische Zeitung Der Standard hat in ihrer heutigen Ausgabe über einen dubiosen Doppel-Deal berichtet, den Sanierungsverwalter Christof Stapf aufgedeckt hat. Unter dem Titel „Auf den Spuren einer wundersamen Geldvermehrung bei der Benko-Stiftung“ schreibt Joseph Gepp im Standard, wie ein zweistelliger Millionen-Betrag aus dem Signa-Imperium in eine private Stiftung von René Benko geflossen ist. 

René Benko. Foto: Signa
René Benko. Foto: Signa

Demnach verkaufte im Dezember 2014 die „Kaufhaus Immobilien Holding A Sárl“ in Luxemburg, ein Tochter-Unternehmen der Signa-Holding, 21 Prozent der Unternehmensanteile an der „Premium Kaufhaus Immobilien Holding A Sárl“ an die Ingbe-Stiftung, dessen Stifter, so der Standard, René Benko und seine Mutter Ingeborg sind. Einzige Begünstige sei Benkos Tochter.

„Welche Immobilien genau in der Gesellschaft steckten, erschließt sich aus den Firmenbüchern nicht – möglicherweise handelte es sich um Teile der deutschen Warenhauskette Galeria“, so der Standard.

Sicher scheint nur, dass es eine „wundersame“ Wertsteigerung gab. Im Juli 2016, also nur rund eineinhalb Jahre später, verkaufte die Ingbe-Stiftung ihre Anteile wieder – und zwar an den damaligen Verkäufer, also an das Tochter-Unternehmen der Signa-Gruppe. 2014 hatte die Ingbe-Stiftung den Beteiligungsbuchwert auf 22.930.631,46 Euro beziffert. 2016 war dann laut Jahresabschluss die Firmenbeteiligung fast vier Mal so viel wert, nämlich 82 Millionen Euro.

„Ob der Geldregen von 82 Millionen für die Benko-Stiftung tatsächlich ausschließlich aus dem Verkauf dieser Immobiliengesellschaft resultierte, muss offenbleiben – möglicherweise verkaufte die Ingbe im Jahr 2016 mehr als nur eine Beteiligung. Aber es ist davon auszugehen, dass die Immobilienbeteiligung, die zwischen 2014 und 2016 im Besitz der Ingbe war, erheblich an Wert zugelegt hat“, berichtet der Standard.

Sicher ist, dass Benko über seine eigene Stiftung massiv von dem millionenschweren Doppel-Deal profitiert hat, während seine Signa-Mitinvestoren, wie der Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner oder der Novomatic-Gründer Johann Graf, leer ausgingen.

Möglich ist, dass dieser Fall strafrechtliche Konsequenzen haben könnte. Vor über zehn Jahren, am 18. Juni 2013, hatte sich Réne Benko aus der operativen Führung der Signa Holding GmbH zurückgezogen und hatte seitdem keine offizielle Funktion mehr in dem Konzern inne. Beobachter hatten übereinstimmt berichtet, Benko habe dies getan, um im Falle des Falles nicht als Geschäftsführer oder Vorstand haftbar gemacht werden zu können.

Zeitgleich mit seinem Rückzug aus der Geschäftsführung übernahm Benko als größter Anteilseigner den Vorsitz im mächtigen Beirat der Signa, in dem mit Alfred Gusenbauer sogar ein ehemaliger Bundeskanzler vertreten war. Im Zuge der Insolvenz wurde dieser Beirat erst jetzt aufgelöst und die entsprechende Webseite gelöscht.

Seit 2013 hatte René Benko den Vorsitz im mächtigen Beirat der Signa-Holding inne. Die Webseite wurde mittlerweile vom Unternehmen gelöscht.
Seit 2013 hatte René Benko den Vorsitz im mächtigen Beirat der Signa-Holding inne. Die Webseite wurde mittlerweile vom Unternehmen gelöscht. Weitere Mitglieder waren Dr. Alfred Gusenbauer, Dr. Karl Stoss, Prof. Dr. Roland Berger, Dr. Susanne Riess-Hahn, Walid A. Chammah, Ernst Tanner, Dr. Karl Sevelda und Karl Samstag. Foto: Webseite Signa.at

Dieser Beirat, den es im GmbH-Gesetz als offizielles Organ einer Gesellschaft eigentlich nicht gibt, könnte rückwirkend juristische Relevanz haben. Die PR-Abteilung der Signa hatte deshalb bereits in der Vergangenheit immer mit vielen Worten versucht, die Bedeutung des Gremiums kleinzureden, um den Verdacht, es könne sich um eine faktische GmbH-Geschäftsführung oder um einen faktischen Konzern-Vorstand handeln, zu dementieren.

So hieß es im November auf eine entsprechende Anfrage des Magazins Ethos.at: „Dieser strategische Beraterkreis von angesehenen Persönlichkeiten aus dem Bankenwesen, aus der Politik und aus der Wirtschaft ist regelmäßig wichtiger Impulsgeber für die Weiterentwicklung der SIGNA und steht dem Group Executive Board sowie den einzelnen Managern bei Bedarf beratend zur Seite. Der Beirat, der erstmals im Jahr 2005 eingesetzt wurde, ist kein statutarisches Organ im herkömmlichen Sinn, sondern vielmehr ein Gremium, dessen Aufgabe es ist, die Strategie und die Weiterentwicklung sowie das Neugeschäft des Unternehmens beratend zu begleiten. Mittlerweile umfasst dieses Gremium neun Persönlichkeiten, neben dem Vorsitzenden René Benko, auch Alfred Gusenbauer, Karl Samstag, Prof. Roland Berger, Walid Chammah, Susanne Riess-Hahn, Karl Stoss, Karl Sevelda und Ernst Tanner. Allen gemein ist die hohe Bindung zu SIGNA sowie ihre langjährige Erfahrung und Expertise in den jeweiligen, unterschiedlichen Gebieten ihres Wirkens.“  

Die Behauptung der Signa, René Benko sei in seinem eigenen Unternehmen nur beratend tätig gewesen, wirkt abstrus, ist aber aus Benkos Sicht nachvollziehbar.

Der Grund: Benko könnte, auch wenn er kein im Firmenbuch eingetragener Geschäftsführer ist, als „faktischer Geschäftsführer“ eingestuft werden – und könnte dann auch persönlich zivil- und strafrechtlich haftbar gemacht werden.

Einer der renommiertesten Experten für das GmbH-Recht in Österreich ist Prof. Dr. Christian Fritz von der Kanzlei Fritz in Innsbruck. Zum Fall Benko äußert sich Prof. Dr. Fritz nicht, erklärt aber generell das Thema „faktischer Geschäftsführer“: „Faktischer Geschäftsführer ist eine physische Person, die das gesellschaftliche Unternehmen tatsächlich leitet und führt, ohne in formaler Hinsicht wirksam zum (schlussendlich) im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer bestellt worden zu sein. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der faktische Geschäftsführer gleichzeitig auch (Allein- bzw Mehrheits-)Gesellschafter ist oder nicht; wesentlich ist vielmehr, dass der formell bestellte und im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführer entweder „nichts mehr zu sagen hat“ oder „überhaupt nie etwas sagen durfte“. Für die Qualifikation als faktischer Geschäftsführer muss der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes Handeln im Außenverhältnis maßgeblich in die Hand genommen haben.“

Sollte ein Gericht in einem möglichen Strafverfahren zu der Entscheidung kommen, dass René Benko bei dem dubiosen Doppel-Deal in Luxemburg faktischer Geschäftsführer der Signa-Tochter war und das Unternehmen um einen zweistelligen Millionenbetrag geschädigt hat, könnte es eng für den Tiroler werden. Dann nämlich steht der Straftatbestand der Untreue nach §153 StGB im Raum. Die liegt laut Absatz 1 vor, wenn jemand „seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen … wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt“.

Welche Strafe im Falle einer Verurteilung droht, könnte auch den noch immer schwerreichen Benko nervös machen. So heißt es im Absatz 3 des §153 StGB: „Wer durch die Tat einen 5 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 300 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.“

Ob die österreichische Justiz nach dem heutigen Artikel im Standard bereits Ermittlungen aufgenommen hat oder keine strafrechtliche Relevanz sieht, ist noch offen. Die Staatsanwaltschaft in Wien antwortete auf eine Anfrage von ALPENmag: „Nach Ihrer Schilderung wäre keine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wien gegeben.“ Und in Innsbruck, wohin Benko 2017 nach einem 50-Millionen-Euro-Steuerstreit mit dem Wiener Finanzamt den Firmensitz verlegt hatte, antwortete die Staatsanwaltschaft auf die ALPENmag-Anfrage: „Mit Ihrer Frage kann ich Sie an die WKStA in Wien verweisen.“ Von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien kam bislang noch keine Antwort.

Update am 22. Dezember 2023

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien erklärt auf die Anfrage von ALPENmag: „Es sind mehrere Eingaben iZm der Insolvenz Signa eingelangt, die derzeit geprüft werden. Derzeit ist kein Ermittlungsverfahren bei der WKStA anhängig.“