Südtirol: „Die wirtschaftlichen Folgen sind noch nicht abzusehen.“

Bozen (Südtirol, 18. März 2020) – Die Lage in Südtirol ist dramatisch. Statt Hochsaison leere Zimmer, leere Gastwirtschaften, leere Geschäfte. Und das in einer Region, die vom Tourismus leben. Die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie seien noch nicht abzusehen, erklärt der Präsident der Handelskammer Bozen, Dr. Michl Ebner, im Interview mit ALPENmag.

Dr. Michl Ebner, Präsident der Handelskammer Bozen, im Interview mit ALPENmag. Fotos: IDM Südtirol/Handelskammer

Herr Präsident, das soziale Leben ist auch in Südtirol eingestellt. Wie sieht der Alltag der Menschen derzeit aus?

Dr. Michl Ebner: „Die meisten Südtiroler und Südtirolerinnen bleiben derzeit zuhause und versuchen ihre Kontakte mit anderen Menschen auf ein Minimum zu beschränken. Dies ist absolut richtig so, denn nur so gehen die Neuinfektionen mit dem Coronavirus zurück und unser Gesundheitssystem wird nicht überlastet. Ärzt/innen, Krankenpfleger/innen, Verkäufer/innen in Supermärkten und Menschen aus einigen weiteren Berufsgruppen hingegen müssen zurzeit Unvorstellbares leisten und kommen kaum zur Ruhe. Man kann diesen Menschen nicht oft genug für ihren Einsatz danken.“

Die Wirtschaft liegt auch in Südtirol brach. Welche Folgen wird diese weltweite Krise wirtschaftlich für Südtirol haben?

Dr. Michl Ebner: „Die wirtschaftlichen Folgen sind noch nicht abzusehen. Es ist jetzt wichtig, dass von der Politik Maßnahmen gesetzt werden, um die wirtschaftlichen Folgen für Betriebe und Mitarbeiter/innen bestmöglich abfedern zu können. Doch nicht nur Südtirol ist von dieser Krise betroffen. Auch zahlreiche andere Länder und Regionen sind im selben Boot wie wir. Manche hat es sogar noch härter getroffen.“

Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist der Tourismus. Was hören Sie von den Hoteliers und Wirten?

Dr. Michl Ebner: „Zurzeit sind die Hotels und Restaurants in Südtirol geschlossen. Sie wissen noch nicht genau, wann sie wieder öffnen können und ob sie dann sofort wieder Gäste haben werden. Sie sind somit stark verunsichert.“

Auch wenn es schwierig ist zu planen, mit welcher Zeitachse planen Sie? Prof. Dr. Lothar H. Wieler, der Chef des Robert Koch-Instituts in Deutschland, hat am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Berlin gesagt, er gehe davon aus, dass uns das Coronavirus noch bis zu zwei Jahren beschäftigen wird.

Dr. Michl Ebner: „Wenn wir uns die Lage in China anschauen, so sehen wir, dass Mitte Februar der Höhepunkt der Ausbreitung des Coronavirus erreicht wurde. Danach sind die Neuinfektionen aufgrund von strikten Maßnahmen stetig zurückgegangen und jetzt, einen Monat später ist die Situation mit den Neuinfektionen wieder einigermaßen unter Kontrolle . Am 15.03. gab es zum Beispiel nur noch 24 Neuinfektionen. Ich hoffe deshalb, dass bei uns die Maßnahmen auch wirken werden und schon in zwei Monaten wieder einigermaßen Normalität in unser Leben einziehen wird. Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, wird die Zeit zeigen.

Südtirol hat einen sehr guten Ruf. Wie können die vielen Menschen in Österreich, Deutschland und von sonst wo, die seit Jahren gerne nach Südtirol kommen, Ihr Land jetzt und in Zukunft unterstützen?

Dr. Michl Ebner: „Viele unserer Gäste aus Deutschland und Österreich kommen schon seit vielen Jahren nach Südtirol und halten uns schon sehr lange ihre Treue. Eine ein paar Monate andauernde Krise aufgrund des Coronavirus kann diese langjährige Beziehung nicht zerstören. Deshalb bin ich überzeugt und auch dankbar, dass unsere Gäste nach dem Überstehen dieser Krise wieder zu uns kommen werden. Und ob in Österreich, Deutschland oder sonst wo befinden wir uns zurzeit alle in einer ähnlichen Situation. Wichtig ist, dass wir zusammen alles versuchen, um eine Ausbreitung des Virus einigermaßen einzudämmen. Es nützt uns nichts, wenn wir es hier schaffen die Ausbreitung des Virus zu stoppen, während sich das Virus in Deutschland weiter ausbreitet. Nur zusammen können wir dieses Virus besiegen.“

Die Empörung in Südtirol war groß, als das Robert Koch-Institut plötzlich Südtirol als Risikogebiet eingestuft hat, obwohl es nur wenige Fälle gab. War diese Empörung auch in der Nachschau richtig?

Dr. Michl Ebner: „Als Südtirol vom Robert Koch-Institut zum Risikogebiet erklärt wurde, gab es in Südtirol einen bestätigten Coronavirus-Fall und neun Verdachtsfälle. Zum damaligen Zeitpunkt und bei der damaligen allgemeinen Wissenslage war es unverständlich und unverhältnismäßig. Das Robert Koch-Institut hätte zumindest detailliert begründen müssen. Transparenz wäre jedenfalls immer notwendig. Aus heutiger Sicht sind wir bald alle Risikogebiet, wenn auch vielfach als solches nicht ausgewiesen. Hoffen wir, dass wir durch Selbstbeschränkung und Disziplin bald aus diesem Alptraum herauskommen.“