Spezl-Wirtschaft in Südtirol: LH Kompatscher und die Schlern-Connection
Bozen (Südtirol, 28. April 2022) – Anspruch und Wirklichkeit: Arno Kompatscher hatte nach seiner ersten Wahl zum Südtiroler Landeshauptmann groß angekündigt, mit der angeblichen Vetternwirtschaft seines Vorgängers bei der Besetzung von hochdotierten Posten aufzuräumen. Im Zuge der Aufdeckung des Parteispendenskandals um Landeshauptmann Arno Kompatscher kommen aber immer mehr Details ans Tageslicht, die eines zeigen: Das Gegenteil ist der Fall.
Nach seiner Wahl hatte Kompatscher noch davon gesprochen, man werde in Südtirol neue Wege einschlagen, wenn es um „die Besetzung von Aufsichts- bzw. Verwaltungsratsposten in Körperschaften des Landes bzw. in Gesellschaften mit Landesbeteiligung“ geht. So versprach Kompatscher 2014: „Wer an einem solchen Posten interessiert ist und die nötigen Voraussetzungen hat, kann sich um ein Amt bewerben.“
Die Realität lässt anderes vermuten: So hat ALPENmag bereits die wundersame Karriere von Patrick Bergmeister beschrieben, der 2018 dem geheimen Spendensammel-Komitee für Kompatschers Wahlkampf angehörte und nach der Wahl in diversen Aufsichtsräten befördert wurde: „So ist Bergmeister Präsident des Aufsichtsrates der Mediocredito Investitionsbank, an der Südtirol Anteile hält. Außerdem sitzt Bergmeister im Aufsichtsrat der Brennerautobahn AG, an der die autonome Region Trentino-Südtirol mit 32,2893 Prozent beteiligt ist. Und Bergmeister hat einen prestigeträchtigen Posten bei der „Infrastrutture Milano Cortina 2020-2026 S.p.A. inne, der Investitionsgesellschaft für die Olympischen Winterspiele 2026, zu deren Gesellschafterkreis ebenfalls Südtirol gehört. In allen Fällen gibt es einen Mann, der bei solchen hochrangigen Personalentscheidungen eine wichtige, wenn nicht die wichtiges Stimme hat: der Südtiroler Landeshauptmann.“
Über sich selbst sagt Bergmeister, der sein Wirtschaftsstudium erst im zweiten Anlauf zu Ende gebracht hat, er erfülle die „gesetzlich vorgeschriebenen beruflichen Voraussetzungen“. Eine Spitzenbesetzung sieht anders aus.
Politisch ist Bergmeister dafür ein Postensammler und Ämterhäufer: Gemeinderatsmitglied der Gemeinde Kastelruth, SVP-Ortsobmann von Überwasser, Gebietsobmann Grödens, ladinischer Vertreter in der SVP-Parteileitung, Mitglied des Landesparteiausschusses und so weiter.
Suspekt ist auch, wie Kompatschers Mann fürs Grobe, Vize-Parteiobmann Karl Zeller, immer wieder direkt oder indirekt von Entscheidungen der Südtiroler Landesregierung und deren Verwaltung profitiert. Auch Zeller gehörte dem geheimen Spendensammel-Quartett an. Konkrete Fragen von ALPENmag lässt Zeller unbeantwortet. Fest steht, dass Zeller mit seiner Kanzlei den Zuschlag für zahlreiche öffentliche Aufträge bekommen hat. Und Zellers Sozius Stefan Thurin stieg plötzlich zum Direktor der Therme Meran auf – aufgrund welcher Qualifikation ist nicht bekannt.
Gern im Dunstkreis der Mächtigen bewegt sich auch Martin Ausserdorfer. 2013, vor der ersten Nominierung von Arno Kompatscher zum Kandidaten für das Amt des Landeshauptmannes, hatte der Politikwissenschaftler noch den damaligen SVP-Parteiobmann Richard Theiner unterstützt, bis er merkte, damit wohl auf das falsche Pferd gesetzt zu haben.
Per SMS teilte er Theiner seinen charakterlich fragwürdigen Seitenwechsel mit und machte dann nach der Wahl unter Kompatschers Gnaden ebenfalls eine steile Karriere. Neben seiner Position als Direktor der Beobachtungsstelle zum Bau des Brenner Basistunnels, eigentlich ein fordernder Vollzeitjob, stieg Ausserdorfer zum Präsidenten STA AG (Bahnunternehmen Südtiroler Transportstrukturen/Strutture Trasporto Alto Adige) auf und 2012 kam noch ein Aufsichtsratsposten bei der Brenner Basistunnel BBT SEhinzu. Und seit Mai 2021 ist Ausserdorfer Geschäftsführer der Rail Traction Company Spa, einem Dienstleister für den Güterverkehr auf der Schiene, an der die S.T.R. Brennero Trasporto Rotaia S.p.A. mit 95,53 Prozent beteiligt ist.
Nachdem Ausserdorfer weder Bauingenieurwesen noch Jura oder Wirtschaft studiert hat, wundern sich viele Parteifreunde in der SVP über diese ungewöhnliche Karriere im hochkomplexen Bereich aus Bau, Transport und Vergabewesen. In seiner Diplomarbeit hatte sich Ausserdorfer noch mit ganz anderen Themen beschäftigt. Damals fokussierte er sich auf das bauferne Thema „Vergleichende Medienanalyse in Bezug auf die Objektivität der Nachrichtenberichterstattung in den Hauptnachrichten der staatlichen Sender in Österreich und Italien“.
Ungewöhnlich ist auch die Karriere von Hartmann Reichhalter, der nach seiner Abwahl als Bürgermeister von Kastelruth wie aus dem Nichts steil nach oben gefallen ist. Der Rechtsanwalt gilt als enger Freund von Arno Kompatscher, der ihm dann auch freundschaftlich zur Seite stand, als der begehrte Posten des Präsidenten der Brennerautobahn AG zu vergeben war. Weil Reichhalter weder auf Transport- und Verkehrsrecht, noch auf Gesellschaftsrecht spezialisiert ist, gab es starke Vorbehalte gegen die Nominierung und Kompatscher musste seine gesamte Macht als Landeshauptmann einsetzen, um seinen Spezl durchzuboxen.
Apropos Kastelruth: Auch Martin Fill, ebenfalls ein alter Kompatscher-Spezl, hat eine steile Karriere hingelegt. Der Rechtsanwalt mit Spezialisierung im Strafrecht erhielt zahlreiche öffentliche Mandate, bevor er überraschend Präsident der STA AG wurde. Auch von ihm ist nicht bekannt, irgendeine Expertise in den Bereichen Transport-, Verkehrs-, Infrastruktur-, Immobilien- oder Gesellschaftsrecht zu haben. In der STA-Zentrale wird er dann auch nur höchst selten gesichtet.
Was Fill, Bergmeister und Reichalter mit Landeshauptmann Kompatscher verbindet, ist nicht nur die breite Auslegung des Begriffs „Freundschaftsdienst“, sondern die gemeinsame Herkunft. Alle vier stammen aus dem Schlerngebiet, weshalb innerhalb der SVP bereits von der „Schlern-Connection“ die Rede ist.
Hinzu kommt, dass Ausserdorfer, Reichalter und Fill sowie Bergmeister eine besondere Nähe zu dem umstrittenen Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider nachgesagt wird, der schon vor Jahren mit einer Hüttenaffäre landesweit für Negativschlagzeilen gesorgt hatte. Sogar die Staatsanwaltschaft ermittelte damals gegen Alfreider, der sich aber bis heute weigert, das Ergebnis dieser Ermittlungen bekanntzugeben. Vermutet wird, dass die ihm vorgeworfenen Taten bereits verjährt waren, was zwar juristisch ein Freispruch ist, ihn aber politisch dennoch weiter schwer belasten würde – zumal sich möglicherweise ein neuer Alfreider-Skandal anbahnt. Auch darin geht es um viel Geld und beste Kontakte. Mehr bald auf ALPENmag.