Orkantief Sabine: Was Skitourengeher jetzt über Lawinen wissen müssen

Innsbruck (Tirol, 10. Februar 2020) – Er kennt den Schnee und die mit ihm verbundenen Gefahren wie kaum ein anderer in den Alpen: Seit drei Jahrzehnten leitet Rudi Mair den Lawinenwarndienst Tirol. Jeden Morgen wertet der 58jährige die Daten der 200 Messstationen aus. Seine Analysen verfolgen Wintersportler ebenso wie Liftbetreiber und Politiker. Und wer nicht lebensmüde ist, befolgt seinen Rat. „Lawinen gehören zu unserem Lebensraum. Wenn ich Tirol kartografieren würde, täte ich mich schwer, Orte zu finden, an denen es überhaupt keine Lawinengefahr gibt“, hat Rudi Mair unterlängst in einem Interview der Zeitung Die Zeit erklärt. Eine entspannte Lage kann sich schließlich jederzeit ändern, insbesondere nach heftigen Schneefällen oder einem Sturm. Wie die aktuelle Lage nach dem Durchzug des Orkantiefs Sabine ist, wollte ALPENmag von dem Lawinenexperten wissen.

Herr Mair, wie ist die aktuelle Lawinensituation in den Alpen?

Rudi Mair: Wir haben großteils eine erhebliche Lawinengefahr, also Stufe drei auf der fünfstufigen Skala. Das klingt wenig bedrohlich, ist es aber nicht. Die meisten Lawinenunfälle passieren bei der Lawinenwarnstufe drei, weil sich viele Skitourengeher und Freerider vermeintlich sicher fühlen und ein zu großes Risiko eingehen.   

Das Orkantief Sabine ist gerade über den gesamten Alpenraum gezogen. Warum spielt der Wind beim Thema Lawine eine so große Rolle?

Rudi Mair: Wind beeinflusst sowohl den fallenden als auch den bereits abgelagerten Schnee und ist einer der wesentlichsten Lawinen bildenden Faktoren. Bei lockerem, trockenem Schnee führt Wind immer zu Verfrachtungen und damit zu einer Zunahme der Lawinengefahr! Je kälter der verfrachtete Schnee ist, desto empfindlicher reagiert er auf Belastung, weil die Sprödigkeit zunimmt. Charakteristisch für dieses Gefahrenmuster ist, dass die Schwachschicht meist aus lockerem Neuschnee besteht und von Triebschnee überlagert wird. Es hat also entweder kurz zuvor bei kalten Temperaturen ohne Wind geschneit und dann zu wehen begonnen oder aber es beginnt ohne Windeinfluss zu schneien, wobei der wind während des Schneefalls an Stärke zunimmt.

Wie lange dauert es, bis nach dem Orkansturm Sabine die Lawinengefahr wieder gesunken ist?

Rudi Mair: Das Gute zum Thema Wind: Zum einen lässt sich windverfrachteter Schnee, also der Triebschnee, gut erkennen, zum anderen sinkt die Lawinengefahr innerhalb weniger Tage wieder.

Was raten Sie generell Skitourengeher in der aktuellen Lage?

Rudi Mair: „Informieren, informieren, informieren. Einen guten Überblick gibt’s auf www.lawinen.org oder auf www.lawinenwarndienst.blogspot.com Außerdem gibt es fürs Smartphone kostenlos die „Lawine Tirol“ als offizielle App des Lawinenwarndienstes Tirol und der Tiroler Tageszeitung. Tourengehern, Freeridern und allen, die sich im Winter abseits gesicherter Pisten in den Tiroler Bergen bewegen, stehen damit sämtliche Informationen für die Tourenplanung zur Verfügung, wie täglicher Lawinenlagebericht, aktuelle Stationsdaten, praktische Tools wie Kompass, Höhen- und Hangneigungsmesser, Hintergrundwissen zu Lawinenkunde und Lawinen-Eilmeldungen als Push-Nachricht. 

Safety Academy von Ortovox

Wer tiefer in das Thema Lawinenkunde einsteigen möchte, für den gibt es seit 2008 die Safety Academy von Ortovox. In Kooperation mit rund 30 Bergschulen werden Sicherheitstrainings und LVS-Trainings (Lawinenverschüttetensuchgerät) für Einsteiger und Fortgeschrittene angeboten. Die Safety Academy gilt mit ihren Lawinenkursen als weltweit größte Ausbildungsinitiative zur Lawinenprävention. Angeboten werden von (kostenlosen) Abendkurse bis zu mehrtägigen Lawinenseminaren. Mehr Informationen unter https://www.ortovox.com/de/safety-academy/ausbildungskurse/winterprogramm/lawinenkurse/