Österreichs Tourismusministerin kontert Söders Ski-Lockdown

Wien (29. November 2020) – Die Wut auf Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder wächst. Wie auch ALPENmag berichtet hat, will Söder verhindern, dass Skifahrer aus Bayern nach Österreich oder in die Schweiz reisen. Ab 1. Dezember 2020 müssen dann selbst Tagesausflügler nach ihrer Rückkehr in den Freistaat zehn Tage in Quarantäne gehen und – falls sie Arbeitnehmer sind – dafür unbezahlten Urlaub nehmen. „Wir haben Ischgl nicht vergessen“, poltert Söder gegen die Nachbarn und spielt auf den Corona-Ausbruch im Frühjahr in dem Tiroler Skiort an.

Für das Tourismusland Österreich ist dieser aus Deutschland verordnete Ski-Lockdown der GAU. Im Exklusiv-Interview mit ALPENmag erkärt Österreichs Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, was sie von Söders Vorstoß hält und wie Österreich reagiert.  

Wehrt sich gegen den Ski-Lockdown aus Bayern: Elisabeth Köstinger, Österreichs Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Foto: Andy Wenzel

Frau Ministerin, was haben Österreichs Tourismusorte aus Ischgl gelernt? Geht vom Skifahren eine konkrete Gefahr aus, das Coronavirus zu übertragen?

Bundesministerin Elisabeth Köstinger: „Wir haben schon im Sommer unter Beweis gestellt, wie man sicheren und schönen Urlaub in Österreich organisiert. In manchen Regionen war die Buchungslage ausgezeichnet, trotzdem ist es kaum zu Infektionsherden gekommen. Dafür gibt es viele Gründe. Einer davon ist zum Beispiel das größte präventive Testprogramm für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das wir ins Leben gerufen haben. So etwas gibt es in ganz Europa nicht. Seit Juli haben wir allein in diesem Programm mehr als 500.000 Testungen durchgeführt. Zur Sicherheit für Gäste, Mitarbeiter und Betriebe. Für den Winter wiederum haben wir schon im September umfassende Sicherheitskonzepte vorgelegt. Abstandsregeln in den Seilbahnen, aber auch beim Anstellen. Mund-Nasen-Schutz drinnen und draußen. Vor allem aber die Festlegung: Aprés Ski, wie man es bisher kannte, wird es heuer in Österreich nicht geben. Das haben wir durch entsprechende Verordnungen sichergestellt. Die Branche hat also ihre Hausaufgaben gemacht, ebenso wie wir.“

ALPENmag: Während der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ein europäisches Skiverbot fordert, sind in München weiterhin alle Geschäfte geöffnet. Gerade am Black Friday kam es in der bayerischen Landeshauptstadt zu einem großen Ansturm. Viele Käufer in der Schlage trugen noch nicht einmal eine Maske. Wie beurteilen Sie das? Ist das in Bayern Doppelmoral? 

Bundesministerin Elisabeth Köstinger: „Ich kann nur sagen: Ich kann weder den deutschen, noch den italienischen Vorstößen etwas abgewinnen. Jedes Land soll selbst entscheiden, ob und wann es seine Skigebiete öffnet. Bei uns hängt das selbstverständlich an der Entwicklung der Infektionszahlen. Die sind derzeit noch viel zu hoch. Dennoch werden wir zu gegebener Zeit selbst die Entscheidung treffen, wie wir weiter vorgehen. Dazu bedarf es keiner Ratschläge anderer Staaten. Wir empfehlen ja auch den Franzosen nicht, wann sie das Louvre wieder aufsperren dürfen oder unseren deutschen Nachbarn, wann Schulen öffnen oder geschlossen bleiben müssen.“

ALPENmag: Wie verherrend wäre ein von Bayern über die Quarantäneverpflichtungen verhängtes De-Facto-Skiverbot für Österreich? Eine erste Studie von Innsbrucker Wirtschaftsexperten spricht von 200.000 Arbeitsplätzen. Teilen Sie diese Ansicht?

Bundesministerin Elisabeth Köstinger: „Wir alle wissen, welche Bedeutung der Tourismus insgesamt für unser Land hat. Direkt und indirekt hängen – übers ganze Jahr gesehen – mehr als 700.000 Arbeitsplätze an dieser Branche. Da geht es ja nicht nur um die direkt Beschäftigten in den Hotels, Pensionen, Cafes oder Restaurants. Es geht auch um den Bäcker, der seine Semmeln liefert. Oder auch den Installateur, der in einer Region wesentliche Teile seiner Aufträge aus dieser Branche bezieht. Oder den Nah und Frisch im Skiort, der ohne Saison nicht überleben kann. Niemand sollte das auf die leichte Schulter nehmen.“ 

ALPENmag: Was kann Österreich gegen den bayerischen Ski-Boykott unternehmen?

Bundesministerin Elisabeth Köstinger: „Der wichtigste Schritt ist, dass wir unsere Infektionszahlen senken. Das ist unerlässlich, denn das ist die Basis für alles andere. Wir haben auch vor dem Sommer gesehen: Sinken die Zahlen, dann fallen die Reisewarnungen recht schnell. Wir kämpfen um unsere Gäste. Viele von ihnen kommen seit Jahren zu uns, sind Stammgäste und haben bei uns eine zweite Heimat gefunden. Wir bleiben mit unseren Nachbarn natürlich ständig im Gespräch.“ 

ALPENmag: Wie beurteilen Sie generell den Aktionismus des bayerischen Ministerpräsidenten in der Corona-Pandemie?

Bundesministerin Elisabeth Köstinger: „Ich befürchte, dass der Herr Ministerpräsident das Aprés Ski mit dem Wintersport im Allgemeinen verwechselt. Wir haben klipp und klar dafür gesorgt, dass es Aprés Ski heuer nicht geben wird, damit sind wesentliche Infektionsherde ausgeschlossen. Und das Virus holt man sich nicht auf der Piste, sondern eben beim Feiern danach. Und das wird es heuer nicht geben.“

ALPENmag: Frau Ministerin, vielen Dank für das Gespräch.