Brauchtum: Wie die Schweizer den Winter vertreiben

Chur (Graubünden, 5. Februar 2020) – Seltsam, gespentisch, schön: Mit alten Bräuchen vertreiben die Schweizer jedes Frühjahr den Winter. Besonders lebendig ist das Brauchtum im Kanton Graubünden. Hier werden Mädchen geschwärzt, Holzscheiben geschleudert oder Schneemänner verbrannt. Alljährlicher Höhepunkt ist der Chalandamarz am 1. März. Ein Überblick über die schönsten Bräuche gibt einen Einblick in die kulturellen Traditionen des Alpenlandes.

Pschuuri Foto: Viamala Tourismus

26. Februar 2020: Pschuuri in Splügen

„Pschuure“ bedeutet „schwärzen“ und ist ein wichtiger Bestandteil des Fasnachtsbrauches aus Splügen im Rheinwald. Am Vormittag des Aschermittwochs ziehen die kostümierten Vorschulkinder mit umgehängten „Tschifferli“ (Tragkörben) als „Pschuuribättler“ in Gruppen von Haus zu Haus und bitten mit dem Spruch „Pschuuri, Pschuuri Mittwuchä, äs Eischi oder äs Meitschi“ um Gaben, die sie in Form von Süßigkeiten erhalten. Am Nachmittag schleichen die Burschen in alten Kleidern und in Felle gehüllt im Dorf umher. Sie lärmen mit umgebundenen Schellen und tragen ein Säcklein mit der gefürchteten Schmiere aus Kohle und Fett mit sich. Die „Pschuurirolli“ versuchen, Kinder, Mädchen und ledige Frauen zu fangen und ihr Gesicht mit der Schmiere anzustreichen. Bis zum Sonnenuntergang müssen alle Opfer „pschuuret“ sein. Denn am Abend bitten die als „Männli und Wibli“ verkleideten Burschen mit einem Korb in den Dörfern um frische Eier. Daraus wird Eiersalat sowie das traditionelle Getränk „Resimäda“ für den Schmaus zubereitet, der nach Mitternacht beginnt. Der Überlieferung nach sollen diese Eierspeisen und Getränke die heiratsfähige Jugend stärken und die Fruchtbarkeit dieser Generation und die der Felder fördern. In der Regel dauert der „Pschuuri“ bis in die frühen Morgenstunden.

https://viamala.graubuenden.ch/de/regionen-entdecken/rheinwald/pschuuri 

29. Februar 2020: Scheiben schlagen

Der Brauch des Scheibenschlagens („Trer Schibettas“ auf Rätoromanisch) stammt aus vorchristlicher Zeit. Er existiert in Danis-Tavanasa, Dardin und Untervaz im Kanton Graubünden. Mit leuchtenden Holzscheiben wollten die ersten Bewohner des Tals den Winter vertreiben. Bis heute hat der Brauch sich gehalten: Gegen Ende des Winters sägen die Knaben runde, in der Mitte gelochte Scheiben aus Erlenholz. Am ersten Fastensonntag steigen sie dann hoch hinauf in die Dörfer. Je älter die Buben, umso höher liegt ihr „Scheibenplatz“. Traditionell werden ein weißer Kittel, ein rotes Halstuch sowie eine rote Zipfelmütze getragen. Die getrockneten Holzscheiben fangen in der Glut sofort Feuer. Dann werden sie mit einem Stock von einer Rampe durch die Dunkelheit geschleudert. Die erste Scheibe wird „Chüächli Pfanne“ genannt und symbolisiert die Hoffnung auf reichlich Nahrung in der Zukunft. Alle anderen Scheiben werden den Mädchen gewidmet.

Diese Tradition ist in ähnlicher Form u. a. auch in den Kantonen Baselland („Reedlischigge“ oder „Schyblischiesse“), Glarus („Schybefleuge“) und Solothurn („Scheibensprengen“) zu finden.

http://www.graubuenden.ch/de/veranstaltung/trer-schibettas-scheibenschlagen-breilbrigels

Chalandamarz am 1. März Foto: Graubünden Ferien, Andrea Badrutt

1. März 2020: Chalandamarz

Der 1. März lässt das Herz der Bewohner im Unterengadin und im Val Müstair schneller schlagen – es ist Chalandamarz. Der Brauch hat seinen Ursprung in der Zeit, als Rätien vom Römischen Reich beherrscht wurde. Gemäss antikem römischem Kalender war an diesem Tag Neujahrsbeginn.

Diese tiefe historische Verwurzelung ist mit ein Grund, weshalb sich der Chalandamarz bis heute erhalten hat. Mit Glockengeläut werden die bösen Geister vertrieben – je lauter der Lärm, desto schneller soll der Winter zu Ende gehen und der Frühling Einzug halten. Schulkinder ziehen am frühen Morgen in Bauernblusen um die Dorfbrunnen, von Haus zu Haus, singen traditionelle Lieder und sammeln Gaben.

Die Gestaltung des Brauchs ist von Dorf zu Dorf verschieden. In Zuoz und Samedan beispielsweise nehmen traditionsgemäss nur die Knaben am Umzug teil. Der Ftaner Chalandamarz gleicht eher einem Fasnachtsumzug, und in Poschiavo wird als Symbol des Winters ein Schneemann verbrannt.

Die Geschichte vom Schellenursli, dem kleinen Buben aus dem Unterengadiner Dorf Guarda, kennt in der Schweiz jedes Kind. Sie knüpft an den Chalandamarz an. Die Gassen füllen sich mit Peitschenknallen und Kinderchören. Dutzende von wie Schellenursli bekleidete Schüler vertreiben mit ihrem Gesang und Glockenläuten den Winter. Schließlich soll der Frühling gebührend angekündigt werden.

https://scuol.engadin.com/de/unterengadin/chalandamarz

Funkensonntag in Liechtenstein Foto: Liechtenstein Marketing

1. März 2020: Funkensonntag in Liechtenstein

Am Funkensonntag, dem Sonntag nach Aschermittwoch, wird in den Liechtensteiner Gemeinden ein Holzstoß, der sogenannte Funken, verbrannt. Der Brauch geht auf das Vertreiben des Winters zurück. Auf dem Funken wird der Winter in Form einer Puppe, der Funkenhexe, befestigt. Die Funkenhexe wird mit Knallkörpern gefüllt – und sobald sie explodiert, soll der Winter gestorben sein.

https://tourismus.li/erlebnisse/kunst-kultur/liechtensteiner-brauchtum/funkensonntag/

1. März 2020: Chienbäse in Liestal

Als Chienbäse bezeichnet man eine am Sonntagabend nach Aschermittwoch stattfindende Fasnachtsveranstaltung in Liestal. Dabei werden aus Föhrenscheiten (Kiefernholz) gebundene „Besen“ von 20 bis 100 Kilogramm Gewicht brennend durch die Liestaler Altstadt getragen. Höhepunkte des Umzugs sind die etwa 20 Feuerwagen – eiserne Wagen, die jeweils mehrere Ster brennenden Holzes tragen. Besonders hoch lodern die Flammen nach der Fahrt durch das Liestaler Obertor auf.

http://chienbaese.ch

Sechseläuten in Zürich Foto: Schweiz Tourismus/Philipp Giegel

20. April 2020: Sechseläuten in Zürich

Wenn im April die ersten Blumen und Bäume blühen, die Temperaturen steigen und die Tage länger werden, feiern die Zürcher ihr traditionelles Frühlingsfest: das Sechseläuten, oder „Sächsilüüte“, wie es in der Zürcher Mundart heißt. Das Zürcher Frühjahrsfest hat seinen seltsamen Namen davon bekommen, dass seit dem 14. Jahrhundert im Sommerhalbjahr um sechs Uhr eine Glocke vom Grossmünster den Feierabend verkündete. Das erstmalige Läuten dieser Glocke bot den Anlass zu einem Frühlingsfest, das seinen Höhepunkt seither traditionell am dritten Montag im April findet – mit dem Anzünden des „Böögg“ wird dann der Winter vertrieben und der Frühling begrüßt.

www.sechselaeuten.ch