2. Corona-Lockdown: Was jetzt in Österreich gilt
Wien (1. November 2020) – Ab Dienstag, 3. November 2020, 0 Uhr wird in Österreich im Kampf gegen die Corona-Pandemie das Leben massiv eingeschränkt. Die sogenannte Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung (siehe unten) soll bis mindestens 30. November 2020 gelten. Ein Schwerpunkt ist die Reduzierung privater Kontakte. So gilt von 20 bis 6 Uhr eine Ausgangssperre (Ausnahmen siehe unten) für ganz Österreich. Besuche sind in dieser Zeit verboten. Außerhalb dieser Zeit sind Treffen nur mit einem anderen Haushalt erlaubt. Hochzeiten dürfen stattfinden, aber ohne Feier. Restaurants und Bars werden geschlossen, ebenso alle Freizeiteinrichtungen, wozu auch die Bergbahnen und Skilifte gehören.
Kanzler Kurz: „Dramatische Entwicklungen“
„Wir erleben in ganz Europa gerade eine massive zweite Welle mit steigenden Ansteckungszahlen und dramatischen Entwicklungen. Viele europäische Länder befinden sich mittlerweile im zweiten Lockdown. Auch in Österreich haben wir in den letzten Monaten ein stetiges Wachstum der Infektionszahlen und in den letzten Wochen ein exponentielles Wachstum erlebt. Vor allem in der vergangenen Woche haben wir eine massive Beschleunigung verzeichnet“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Samstag bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt, in der er gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober, Innenminister Karl Nehammer und Finanzminister Gernot Blümel über die neuen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie und die wirtschaftlichen Folgewirkungen informierte.
„Österreich hat definitiv eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, aber auch bei uns gibt es im medizinischen Bereich begrenzte Kapazitäten. Die Situation ist eine eindeutige: Wenn wir jetzt nicht handeln, dann wird es in Österreich zu einer Überlastung der intensivmedizinischen Kapazitäten kommen, so wie wir das in anderen Länder erlebt haben“, so der Kanzler. Das bedeute dann nicht nur, dass es zur Verschiebung von geplanten Operationen komme. Es hieße auch, dass es nicht genügend Betten für eine ausreichende Behandlung gebe. Ärztinnen und Ärzte müssten dann entscheiden, ob sie einen COVID-Patienten, ein Unfallopfer oder einen Schlaganfallpatienten in einem Intensivbett versorgen. „Das werden wir nicht zulassen“, betonte der Bundeskanzler.
„Wir haben als Bundesregierung daher ein Paket geschnürt, um gegenzusteuern und die Ansteckungszahlen in Österreich mit harten Maßnahmen wieder nach unten zu drücken. In den letzten 48 Stunden haben wir den Bundespräsidenten, die Sozialpartner, die Landeshauptleute und die Parlamentsparteien informiert und uns zu diesem Paket ausgetauscht. Ab Dienstag, 3. November, 0.00 Uhr, wird es zu einem zweiten Lockdown in Österreich kommen“, informierte Bundeskanzler Kurz.
Betrieben werden 80 Prozent des Umsatzes aus dem Vergleichszeitraum des Vorjahres ersetzt – Beschäftigte dürfen nicht gekündigt werden
Bundeskanzler Sebastian Kurz
Ab diesem Zeitpunkt sind sämtliche Veranstaltungen im Kultur-, Sport- und Freizeitbereich sowie die Hotellerie mit Ausnahme beruflicher Reisen nicht mehr möglich. Auch die Gastronomie muss geschlossen werden. Diese darf jedoch Abhol- und Lieferdienste anbieten. „Das sind dramatische Eingriffe in unser gesellschaftliches Leben und für die betroffenen Branchen. Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen, aber sie ist notwendig“, so der Regierungschef. Um die wirtschaftlichen Konsequenzen abzufedern habe man ein großes Hilfspaket geschnürt. „Den betroffenen Branchen und Betrieben werden 80 Prozent ihres Umsatzes aus dem Vergleichszeitraum des Vorjahres, also im November, überweisen. Damit einher geht, dass diese Betriebe ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht kündigen dürfen, sondern diese in Beschäftigung halten.“
Darüber hinaus wird die Kurzarbeit noch einmal ausgeweitet, um die Folgen für den Arbeitsmarkt abzufedern. „Ich bin froh, dass wir innerhalb kurzer Zeit dieses Paket schnüren konnten, um alle betroffenen Betriebe bestmöglich zu unterstützen“, erklärte Sebastian Kurz.
Aufforderung zum Home-Office
„Trotz Einschränkungen ist es unser Ziel, die Wirtschaft so gut wie möglich am Laufen zu halten. Die Wirtschaft ist die Basis unserer Arbeitsplätze, unseres Wohlstandes und für die Steuereinnahmen, die wir brauchen, um unser Sozialsystem zu finanzieren.“ Daher werden Industrie und Produktion offengehalten. Auch der Handel und die persönlichen Dienstleistungen bleiben geöffnet.
„Dort, wo Menschen im Büro arbeiten und es möglich ist, haben wir mit den Sozialpartnern vereinbart, auf Home-Office zu setzen“, so der Regierungschef.
Oberstufe und Universitäten werden auf Distance-Learning umgestellt
Was die Schulen und Universitäten betrifft, werden die Oberstufe und der Universitätsbetrieb auf Distance-Learningumgestellt. Kindergärten und Pflichtschulen bleiben geöffnet. „Wir sind hier dem massiven Wunsch der Parlamentsparteien und den Landeshauptleuten gefolgt.“ Trotzdem müsse die Situation in der nächsten Zeit evaluiert werden, um zu sehen, wie sich das Infektionsgeschehen entwickle, so der Bundeskanzler.
Kontakte reduzieren – Kontaktbeschränkungen einhalten
„Darüber hinaus müssen wir unsere Kontakte reduzieren. Die meisten Ansteckungen finden bei Menschen statt, die sich kennen und mögen. Wir müssen daher Kontaktbeschränkungen verhängen. Das bedeutet, dass sich nur noch zwei Haushalte, ganz gleich wie viele Personen in diesen leben, treffen können.“
Zudem sei es notwendig, Ausgangsbeschränkungen zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr zu verhängen. Wie im Gesetz geregelt, bedeute das nicht, dass man den eigenen Haushalt nicht verlassen dürfe. „Es ist selbstverständlich möglich, arbeiten zu gehen, anderen Hilfe zu leisten oder sich die Beine zu vertreten. Diese Ausgangsbeschränkungen bedeuten, dass es zwischen 20.00 und 6.00 Uhr ein Besuchsverbot gibt und man den eigenen Haushalt nicht mehr verlassen darf, um andere Menschen zu besuchen. Das ist notwendig, weil wir gerade am Abend erlebt haben, dass es oft zu Zusammenkünften und Partys im privaten Bereich kommt, wo Ansteckungen die Folge waren“, sagte der Bundeskanzler.
Appell der Regierung, Maßnahmen zu unterstützen
„Uns ist vollkommen bewusst, dass diese Maßnahmen unpopulär sind und eine massive Freiheitseinschränkung bedeuten. Aber es ist leider notwendig, diesen Schritt zu setzen, um eine Überlastung der Intensivmedizin zu verhindern“, erklärte Sebastian Kurz.
„Menschen, die sich jetzt denken: Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr. Ich habe all diese Einschränkungen satt. Ich kann Ihnen sagen: Wir verstehen Sie vollkommen. Uns allen geht es als Privatpersonen nicht anders. Auch von uns trägt niemand gerne Maske, niemand von uns hat Freude daran, wenn man nicht in Lokale gehen kann. Niemand von uns ist froh, wenn man die eigenen Freunde und Verwandten nicht treffen kann. Aber wenn wir diesen Schritt jetzt nicht gemeinsam setzen und ihn auch gemeinsam auf den Boden bringen, dann drohen uns Zustände, wie sie in anderen Ländern derzeit gerade wieder eintreten“, so der Bundeskanzler.
Man habe immer damit gerechnet, dass der Herbst und der Winter sehr fordernd werden. „Wir sind überzeugt davon, wenn wir eine breite Unterstützung im ganzen Land erleben und wirklich alle Menschen mitmachen, dass es uns noch einmal gelingen wird, in diesem Lockdown die Ansteckungszahlen massiv zu senken, um im Dezember schrittweise auch Öffnungsschritte zu setzen“, sagte Sebastian Kurz.
Der wirkliche Durchbruch, das Ende der Pandemie und der massiven Einschränkungen werde definitiv erst stattfinden, wenn ein Impfstoff erforscht sei. Man bleibe optimistisch und gehe davon aus, dass der Fortschritt in den nächsten Monaten groß sein werde und man spätestens nächsten Sommer wieder zur gewohnten Normalität zurückkehren könne. „Bis dahin bleibt es eine herausfordernde Zeit und wir bitten Sie um Ihre Unterstützung“, so Bundeskanzler Sebastian Kurz, der abschließend eindringlich an die Bevölkerung appellierte, die Maßnahmen mitzutragen.