Hilferuf der Münchner Kaufleute: „Wir sind in höchster Not“
München (Bayern, 27. März 2020) – Die Coronavirus-Pandemie wird auch für die Wirtschaft in Bayern zu einer immer größeren Existenzbedrohung. Vor einer Woche mussten im gesamten Freistaat fast alle Geschäfte und Restaurants schließen. Die Münchner Fußgängerzone, sonst einer der am meisten frequentierten Einkaufsbereiche der Welt, ist menschenleer. Außerdem gilt eine Ausgangssperre bzw. „Ausgangsbeschränkung“.
In einem offenen Brief haben sich jetzt die unter der Marke „Münchens erste Häuser“ zusammengeschlossenen Traditionsgeschäfte Bettenrid, Hirmer, Hugendubel, Kustermann und Sporthaus Schuster an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter gewandt. Die Münchner Kaufleute berichten von „höchster Not“. Allein in den fünf Traditionshäusern seien über tausend Arbeitsplätze in Gefahr. Die Unternehmer fordern jetzt staatliche Unterstützung.
Immerhin, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat bereits Unterstützung signalisiert: „Wir lassen niemanden allein und unternehmen alles, was notwendig ist.“
Der offene Brief im Wortlaut
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Söder,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Reiter,
zunächst möchten wir Ihnen für Ihre bisherige beispielhafte Leistung, Ihr großes Engagement und das sorgsame Vorgehen in dieser Krise sehr herzlich danken.
Wir, die fünf Münchner Traditionshäuser Bettenrid, Hirmer, Hugendubel, Kustermann und Sporthaus Schuster, wenden uns – bestimmt auch stellvertretend für viele andere Familienunternehmen – in höchster Not an Sie:
Die Schließung unserer Häuser ist für uns Einzelhändler nach kurzer Zeit existenzbedrohend. Alleine bei uns fünf alteingesessenen Münchner Unternehmen sind damit über 1000 Arbeitsplätze in Gefahr. Nicht wenige unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Alleinversorger ihrer Angehörigen.
Um gemeinsam mit all unseren Mitarbeitern diese Krise überstehen zu können, bitten wir um rasche Umsetzung der bereits getroffenen Maßnahmen und darüber hinaus um einige weitere Maßnahmen, um zunächst einmal unsere Liquidität bei null Euro Einnahmen kurzfristig sicher zu stellen:
- Sorgen Sie für unbürokratische, schnelle Umsetzung der getroffenen Maßnahmen durch die geforderten Stellen. Das Problem steckt hier leider oft im praktischen Detail.
- Prüfen Sie, ob aufgrund des Lohnniveaus im Einzelhandel die Prozentsätze des Kurzarbeitergeldes nicht um 20 Prozentpunkte vorübergehend aufgestockt werden können – dies, um die Finanzierung des Lebensunterhalts unserer Mitarbeiter zu ermöglichen. Denn wie sollen wir Einzelhändler ohne Einnahmen Aufstockungen bezahlen?
- Prüfen Sie, ob sich staatliche Bürgschaften nicht auf 100% der jetzt zum Überleben benötigten Überbrückungskredite erstrecken können. Es würde bei unseren Finanzinstituten die Kreditentscheidung beschleunigen, in vielen Fällen sogar erst möglich machen.
- Veranlassen Sie die sofortige Stundung unserer Zahlungen an die Finanzbehörden und stellen Sie sicher, dass diese auch so handeln.
- Bilden Sie einen ausreichend großen Fonds, aus dem Sie am Ende die Hilfestellung geben können, die wir bei den zu erwartenden massiven Verlusten – der Einzelhandel arbeitet mit sehr geringen Gewinnmargen – benötigen, um trotz Lösung des Liquiditätsproblems nicht doch aufgeben zu müssen.
- Und nicht zuletzt: Denken Sie auch an die Zeit nach den angeordneten Geschäftsschließungen. Wir werden Konjunkturprogramme benötigen, damit die Menschen so schnell wie möglich wieder konsumieren.
Die kommende Zeit wird uns allen sehr viel abverlangen. Wir sind überzeugt: Das Verständnis, der Respekt und die solidarische Zusammenarbeit in diesen Tagen definieren die Qualität der künftigen gemeinsamen Aktivitäten. In diesem Zusammenhang appellieren wir auch an unsere Vermieter: Helfen Sie mit kurzfristigen Lösungen, um die Liquidität Ihrer Mieter in diesen Zeiten zu unterstützen.
Wir erleben derzeit etwas, was wir uns nicht hätten vorstellen können. Wir erleben Einschränkungen, Sanktionen, Abschottung, Angst um die eigene Existenz oder die Existenz von Freunden oder Weggefährten, Angst um die Gesundheit – um das Leben.
Diese Zeiten führen zusammen. Wir, wie sicherlich alle weiteren traditionellen Familienunternehmen, werden auch künftig das Gesicht unserer Stadt mitprägen, wie dies die Kollegen in ihren Städten ebenfalls tun. Wir werden lange mit den Konsequenzen dieser Krise zu kämpfen haben, aber zusammen – im Verbund mit Politik, Banken, Verwaltung, Industrie, Partnern in allen Bereichen und insbesondere mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – werden wir diese meistern. Aber vorher benötigen wir jetzt Ihre Unterstützung, um die Schließung unserer Geschäfte zu überstehen.
Mit freundlichen Grüßen
Nina Hugendubel, H. Hugendubel GmbH & Co. KG
Robert Waloßek, Bettenrid GmbH
Frank Troch, Hirmer GmbH & Co. KG
Caspar-Friedrich Brauckmann, F.S. Kustermann GmbH
Flori Schuster, Sporthaus Schuster GmbH