Besserer Schutz vor Lawinen

München (Bayern, 4. Januar 2024) – „In der aktuellen Wintersport-Saison haben wir schon mehrere Bergtote zu beklagen, unter anderem eine Skifahrerin und einen Bergtourengeher im Wettersteingebirge“, hat Bayerns Innen- und Sportminister Joachim Herrmann am heutigen Donnerstag bei einem Pressetermin des ‚Kuratoriums für Alpine Sicherheit‘ am Skigebiet Brauneck gewarnt. Es würden sich in jedem Winter immer noch viel zu viele Unfälle ereignen, die vermeidbar gewesen wären. Der Rückgang der wintersportbedingten Polizeieinsätze im Freistaat von 121 in der Wintersportsaison 2021/2022 auf 78 in 2022/2023 sei auch dem Schneemangel geschuldet gewesen, weniger den geringeren Gefahren. Herrmann: „Mein Appell: Mit guter Vorbereitung, Vorsicht, Rücksicht und Respekt lässt sich die wundervolle Bergwelt Bayerns sicher genießen!“

Innen- und Sportminister Joachim Herrmann und das Kuratorium für alpine Sicherheit informieren gemeinsam mit Experten des Deutschen Alpenvereins, der Bergwacht, der Skiwacht, des Deutschen Skilehrerverbands, des Lawinenwarndiensts und der Polizeibergführer über aktuelle Herausforderungen beim Wintersport. Unter anderem geht es um Neuerungen bei der Lawinenschutzausbildung sowie um Skitouren auf der Piste. Foto: Bayerisches Innenministerium/Tom Kieslich

Der Innenminister lobte das hervorragende Engagement des Kuratoriums für Alpine Sicherheit unter Leitung des ehemaligen Landtagsabgeordneten Klaus Stöttner: „Das Kuratorium vereint alle zentralen Alpinverbände und damit deren großartige Expertise in den verschiedensten Bergsportbereichen. Zusammen mit unseren Polizeibergführern sorgt das Kuratorium für erheblich mehr Sicherheit in den bayerischen Bergen, Winter wie Sommer.“ Das bayerische Innenministerium unterstützt das Kuratorium mit Projektzuschüssen, 2023 mit rund 100.000 Euro. Unter anderem hat das Kuratorium ein neues Faltblatt zum Schutz vor Lawinen erarbeitet. Es ist unter https://www.alpinesicherheit.bayern abrufbar.

Zudem betreut das Kuratorium zusammen mit der Leitstelle Tirol und der Agentur für Bevölkerungsschutz in Bozen eine spezielle Notruf-App (‚SOS-EU-Alp‘-App). Beim Absetzen eines Notrufs mithilfe der App werden automatisch die genauen Positionsdaten des Unglücksortes an die zuständige Leitstelle übermittelt und eine Sprachverbindung aufgebaut. Wenn kein Netz vorhanden ist, bekommt der Benutzer wichtige Hinweise für das richtige Verhalten. Die Notruf-App wurde bereits mehr als 400.000 Mal heruntergeladen. 2023 wurden in Bayern rund 250 Notrufe über die App abgesetzt (2022: rund 230).

Wie der Innenminister deutlich machte, arbeitet die Bayerische Polizei eng mit dem Kuratorium und den dort vertretenen Verbänden zusammen. Ein wichtiges Einsatzmittel seien die bayerischen Polizeihubschrauber, die zur Vermisstensuche aus der Luft spezielle Detektoren nutzen können, die von der Bergwacht beschafft wurden. Voraussetzung für die Ortung mit diesem System ist ein spezieller ‚Reflektor‘, der beispielsweise in Jacken, Hosen, Helmen oder Rucksäcken integriert ist. „Zudem bekommen wir acht neue und deutlich leistungsfähigere Polizeihubschrauber vom Typ Airbus H145 für insgesamt rund 145,5 Millionen Euro“, ergänzte Herrmann. „Diese können dann mit bis zu sechs Personen doppelt so viele Rettungskräfte oder zu Rettende transportieren als bisher.“ Zwei der acht neuen Hubschrauber sind bereit im Trainingsbetrieb. Die Lieferung der ersten Maschinen mit polizeilicher Ausstattung ist für Mitte 2024 geplant.

Im Kuratorium für Alpine Sicherheit engagieren sich der Deutsche Alpenverein, der Deutsche Skiverband, der Deutsche Skilehrerverband, die Deutsche Initiative Mountainbike, der Verband Deutscher Berg- und Skifu hrer, der Verband Deutscher Heeresbergfu hrer, der Verband deutscher Polizeiberg- und Skiführer, der Verband der deutschen Ho hlen- und Karstforscher, der Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte, der Verband Deutscher Bergschulen, die Stiftung Sicherheit im Skisport, die Naturfreunde Bayern, die European Ropes Course Association und die Technische Universität München.

Sicher Skitouren: 10 Empfehlungen des Bayerisches Kuratorium für alpine Sicherheit

Skitouren, Schneeschuh- und Snowboardtouren bieten große Chancen für Fitness, Gemeinschaft und Naturerlebnis. Die folgenden Empfehlungen dienen dazu, den alpinen Gefahren im winterlichen Gebirge wirkungsvoll zu begegnen. Die praktischen Grundlagen lernst du in Ausbildungs- und Lawinenkursen, Erfahrung sammelst du Schritt für Schritt.

1. Gesund und fit in die Berge

Skitouren sind Ausdauersport. Die wertvollen Belastungsreize für Herz, Kreislauf und Muskeln setzen Gesundheit und eine ehrliche Selbsteinschätzung voraus. Vermeide Zeitdruck und wähle das Tempo so, dass niemand in deiner Gruppe außer Atem kommt. Achte auf Kraftreserven für die Abfahrt.

2. Sorgfältige Tourenplanung

Karten, Führerliteratur, Internet und Experten informieren über Routenverlauf, Länge, Höhendif- ferenz und die aktuellen Verhältnisse. Besondere Beachtung verdient der Wetterbericht, da Kälte, Wind und schlechte Sicht das Unfallrisiko stark erhöhen. Plane auch Alternativrouten. Informiere dich über nationale Bergrettungs-Notrufnummern (Euro-Notruf 112, SOS-EU-ALP-Notfall APP).

3. Vollständige Ausrüstung

Passe deine Ausrüstung den winterlichen Verhältnissen und dem konkreten Tourenziel an. Standard-Ausrüstung für den Notfall sind Lawinen-Verschütteten-Suchgerät (LVS), Sonde und Schaufel, ebenso Erste-Hilfe-Paket, Biwaksack und Mobiltelefon. Ein Airbag-System erhöht die Überlebenschancen. Überprüfe deine Ausrüstung vor dem Start und führe ein Reperaturset mit.

4. Lawinenlagebericht

Informiere dich vor der Tour eingehend über die Lawinengefahr: Wie? Wo? Was? Achte beson- ders auf Informationen zur Gefahrenstufe (1-5), zu den Gefahrenstellen (Wo ist es heute gefährlich?) und zu den Gefahrenmustern (Was ist heute die Hauptgefahr?).

5. Lawinenrisiko abwägen

Beim Erkennen der Lawinengefahr sind dem Menschen enge Grenzen gesetzt. Stütze deine Ent- scheidungen daher auf strategische Methoden der Risikoeinschätzung (Reduktionsmethoden) und lerne, Gefahrenzeichen im Gelände zu erkennen. Weiche Gefahrenstellen aus und kehre im Zweifelsfall um.

6. Pausen und Orientierung

Flüssigkeit, Energie und Pausen sind notwendig, um Leistungsfähigkeit und Konzentration zu erhalten. Heiße, isotonische Getränke sind ideale Durstlöscher und Wärmespender. Orientiere dich laufend („ich weiß, wo ich bin“) und beurteile vorhandene Spuren kritisch.

7. Abstände einhalten

Abstände dienen der Entlastung der Schneedecke und der Schadensbegrenzung. Entlastungsab- stände von 10 m beim Aufstieg in Steilhängen steigern zudem den Komfort bei Spitzkehren. Bei der Abfahrt halte grundsätzlich Abstände von mindestens 30 m und befahre sehr steile Hänge einzeln.

8. Stürze vermeiden

Stürze bei der Abfahrt sind die häufigste Unfallursache auf Skitouren. Für die Schneedecke be- deuten sie eine große Zusatzbelastung. Gute Skitechnik und eine dem Können angepasste Ge- schwindigkeit reduzieren das Risiko. Ein Skihelm schützt vor Kopfverletzungen. Achtung: Absturz- gefahr bei gefrorener Schneedecke und im felsdurchsetzten Gelände!

9. Kleine Gruppen

Kleine Gruppen (bis 6 Personen) erhöhen die Sicherheit. Kommunikation mit anderen Winter- sportlern und gegenseitige Rücksichtnahme verhindern gefährliche Situationen. In der Gruppe zusammen bleiben. Informiere vertraute Personen über Ziel, Route und Rückkehr. Achtung Alleingänger: Bereits kleine Zwischenfälle können zu ernsten Notlagen führen.

10. Respekt für die Natur

Das Gebirge bietet einen wertvollen Freiraum zum Bewegen in einzigartiger Wildnis. Genieße diese Freiheit! Nimm Rücksicht auf Wildtiere, respektiere Schutzgebiete und betrete keine Auffor- stungsflächen. Zur Anreise Fahrgemeinschaften bilden oder öffentliche Verkehrsmittel verwenden.